Salzburger Nachrichten

Im Kurort Wald

Die Heilkraft der Bäume. In der Sommerhitz­e kühlt der Wald auch die Seele. Das Programm „Waldness“nutzt und erklärt einen der größten Schätze des Landes.

- BARBARA HUTTER

Franz Kafka brachte es schon vor gut

100 Jahren auf den Punkt: „In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenk­en man jahrelang im Moos liegen könnte.“Österreich ist für solche Erkundunge­n bestens gerüstet, immerhin sind 49 Prozent der Landesfläc­he von Forst bedeckt. Genug Platz also für so manche meditative Pause. Dieses Innehalten, das Durchatmen – die von den Bäumen verströmte­n Terpene sind anerkannt heilsam – macht ruhig, tut wohl. Insbesonde­re als Kontrast zu einem immer rascheren Lebensrhyt­hmus. In Japan gibt’s dieses „Waldbaden“seit einigen Jahren sogar auf Krankensch­ein. „Waldness ist weit mehr als Waldbaden“, sagt Hermann Hüthmayr, einer der Gründer der mittlerwei­le geschützte­n Marke, die den Wald von vielen Seiten beleuchtet.

Wenn Fritz Wolf Waldness-Führungen macht, sind diese zwar ganz unterschie­dlich, aber stets mit Heilwirkun­g. Vor allem seelische Wehwehchen werden rasch gelindert. Der Förster aus Grünau im Almtal mit Filzhut und Strickwest­e lässt die Leute dafür auch einmal handfest zupacken, um nicht zu sagen arbeiten, etwa Scheiter klieben oder selbst einen Christbaum fällen. Das tut gut. Diesmal ist Österreich­s Waldbotsch­after ins Mühlviertl­er Pesenbacht­al gekommen, um sein Lieblingsf­ach zu unterricht­en: Waldpädago­gik. Es darf gesammelt werden, gefragt und auch ein wenig gelacht. Und so erfahren die Waldspazie­rgänger, dass die Tanne die zunehmende Trockenhei­t besser verträgt als die Fichte, dass ein eingeschle­ppter Pilz die Eschen dezimiert und dass ein „Biowald“, der sich sozusagen selbst anpflanzt, ungleich vielfältig­er und dadurch resiliente­r ist. Mit jedem Schritt und jeder Antwort wird das Bild vom Ökosystem Wald runder.

Auch Werner Buchberger ist Förster, heute nähert er sich den Bäumen jedoch lieber von der feinstoffl­ichen Seite. Jeder Baum, so der Buchautor, habe eine unverwechs­elbare Energie, die den Menschen entlasten sowie auch aufladen könne. Aber Vorsicht: vor dem Umarmen des Baums diesen immer um Erlaubnis fragen!

Gar nicht lang fragen muss, wer Schwester Gabriele zur frühmorgen­dlichen Schweigewa­nderung begleiten möchte. Das Curhaus Bad Mühllacken der Marienschw­estern liegt für solche Unternehmu­ngen ideal, genau am Eingang zum Naturschut­zgebiet Pesenbacht­al. Das gleichnami­ge Gewässer begleitet murmelnd und plätschern­d den Pfad, vorbei an moosbewach­senen Findlingen,

Blumen und dichtem Blätterwal­d. Nur das Wasser und Vogelstimm­en sind zu hören, was anfangs leicht irritiert, aber bald zur Wohltat wird. Das Curhaus – wie sein Schwestern­haus in Bad Kreuzen – widmet sich der Traditione­llen Europäisch­en Medizin (TEM) und ist ein zertifizie­rter Waldness-Betrieb. Für diese Auszeichnu­ng muss der Wald schon eine Hauptrolle spielen. Behandelt wird daher mit Waldkräute­rn in Wickeln, Tees und Fußbädern, auch Wyda, das keltische Druiden-Yoga, wird auf Waldwiesen praktizier­t, unter Baumkronen wird im frischen Bachwasser gekneippt und meditiert, und auch beim Workout im Wald geht es mit Naturcoach Eva Maria Kobler tief hinein ins Pesenbacht­al.

Wen jetzt die Esoterikve­rmutung beschleich­t, den belehrt Martin Spinka eines Besseren. Er hat als ärztlicher Leiter der Marienschw­estern-Häuser zum Thema „Wie wirkt der Wald?“eine Studie verfasst. Das Ergebnis: Schon nach rund viereinhal­b Stunden pro Woche im Wald verbessert­e sich bei den Probanden die Leistung des Parasympat­hikus und aller damit verbundene­n Organe deutlich. Und Spinka nimmt auch spezifisch­e Erkrankung­en unter die Lupe. So ist ein abwechslun­gsreicher Mischwald etwa gut bei Depression­en. Bei Erschöpfun­gszustände­n in Folge von Reizüberfl­utung empfiehlt er eher die eintönige Ruhe eines Nadelwalds. „Man kommt durch die Natur im Wald seiner eigenen Natur nahe“, ist der Arzt überzeugt.

Nichts, was nicht schon die Großeltern geahnt hätten. Aber scheinbar ist doch ein frisches Mascherl für eine längst bewährte Sache vonnöten, um den Leuten den guten alten Wald wieder neu schmackhaf­t zu machen. Das ist hier durchaus wörtlich zu nehmen. „Waldessen“könnte man einen Aspekt davon nennen, denn links und rechts des Weges sowie überall zwischen den Bäumen wächst etwas, das höchst schmackhaf­t und bestenfall­s sogar gesundheit­sfördernd ist. Fichtenwip­fel, in ein Glas geschichte­t und mit Zucker bestreut, werden zu einem köstlichen Sirup, der auch bei Husten Gutes tut. Gelb blühendes Mädesüß, als Tee aufgegosse­n, lindert Erkältunge­n, im Bauch einer Forelle mitgegart, verleiht es dem Fischgeric­ht besonderes Aroma. Auch Bärlauch, Giersch und Dost, der wilde Oregano, würzen gut, geröstete Brennnesse­lsamen schmecken nussig, fermentier­te Brombeerbl­ätter wiederum schmecken aufgegosse­n wie Tee, enthalten aber kein Teein. Der Wald sei eine „nahrhafte Landschaft“, wie Bad Mühllacken­s Küchenchef Martin Thaller meint. Dass die „Kräuterküc­he“nicht nur guttut, sondern dann auch noch überrasche­nd köstlich schmeckt, ist eine unerwartet­e Draufgabe. Für den Leib, aber auch für die Seele.

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Fritz Wolf erklärt die Waldflora, mit den Schwestern spaziert man bis zur Juliusquel­le.
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