Von Piraten und Perlen
Österreichische Schnapsbrenner füllen neuerdings Urlaubsgefühl in Flaschen ab, Hans Reisetbauer brennt im Mühlviertel Rum, Walter Trausner destilliert im Lungau Austern.
HHans Reisetbauer öffnet die Tür zu einem Weinkeller. Eine Treppe führt ins Paradies. „Abstieg ins Himmelreich“, möchte man ausrufen. Dieses befindet sich in Axberg im Mühlviertel. Dort unten sind 50.000 Liter erstklassiger Rum in Eichenfässern gelagert. Rum? „Sicher. Warum nicht?“, fragt Reisetbauer. Er ist Österreichs meistumjubelter Schnapsbrenner. Lange hieß es: Egal welches Obst er anfasst – es wird zu erstklassigem Schnaps. Dass er bereits seit zehn Jahren auch Rum brennt, blieb lang ein Geheimnis. Aber jetzt ist er da. Der Social 4x50 R.N.P. Super Premium Rum. Ein Name wie ein Sportwagen.
Reisetbauer ist für Brände so etwas wie Lionel Messi für den Fußball. Er hat eine klare Idee, eine Prise Wahnsinn, ein paar Löffel Genie und einen gewaltigen Zug zum Tor. Auch sein Geschäftspartner Tom Wallmann ist heute da. Er ist das, was man in der Marketingbranche als Tausendsassa und Gottseibeiuns bezeichnet. Er könnte Ihnen im Vorbeigehen die Handynummer von George Clooney oder Matt Damon geben. Reisetbauer hat er zufällig bei einer Trüffelveranstaltung kennengelernt. Da sei dann auch die super Schnapsidee mit dem Premium-Rum entstanden, erzählt Reisetbauer. Die beiden 50-Jährigen taten sich mit zwei weiteren 50-Jährigen zusammen, um ein Projekt für die Ewigkeit zu realisieren. Deshalb heißt der Rum 4x50. Das „x“, so Wallmann, solle auch an gekreuzte Degen erinnern. So wie es Freunde tun. Oder Musketiere. Der dritte im Bund ist der Modezar Markus Meindl, der auch die Etiketten und die Handtaschen für die feschen Flaschen schneidert. Der vierte Teilhaber will geheim bleiben, was natürlich sehr geheimnisvoll ist und die Spekulationen anheizt. Gestaltet wurden die Flaschen auch nicht von irgendwem, sondern von einem New Yorker Kreativ-Direktor namens Alex Wiederin. Und der entwarf immerhin schon das Design für George Clooneys Tequila-Marke Casamigos.
„Tequila setzt sich nicht durch“, brummt Reisetbauer, während er sanft eines seiner Holzfässer streichelt. „Kognak ist altmodisch geworden und für Whiskey kannst du keine Frauen gewinnen. Bleibt also nur noch Rum als Wachstumsbrand“, erklärt er. 82 Prozent des Rums brennt Reisetbauer selbst. Die Melasse importiert er aus Mauritius. Den Rest kauft er von karibischen Inseln zu. Und aus Nicaragua. Das Know-how holte er sich vor allem auf Jamaika, wo er sich wochenlang – entschuldigen Sie den Kalauer – rumtrieb, um die Seele des Rums zu studieren.
Was er dort lernte, perfektionierte er daheim im Mühlviertel. „Bei mir kommt kein Gramm Zucker zu. Im Gegensatz zu den aufgezuckerten karibischen Marken, die derzeit überall in den Bars stehen.“Im „Falstaff“war folgende Verkostungsnotiz zu lesen: Im Glas schimmert der Rum in hellem Bernstein; in der Nase zeigt er sich äußert vielschichtig, von fruchtig-beerigen Noten mit Kirsche, Hagebutte, Vogelbeere und Rosinen über frisches Getreide bis hin zu Tabak- und Ledernoten; am Gaumen erscheint er straff und elegant, feinwürzig mit weißem Pfeffer und frischen Ingwer-Anklängen, Karamell im Nachhall. So, jetzt wissen Sie’s.
Den wichtigsten Tipp verrät uns Reisetbauer aber in seinem Rumkeller. „Die Flasche mindestens einen Tag vor dem Trinken öffnen.“Diese Zeit brauche der Rum zur Beruhigung, nachdem er das Licht der Welt da draußen erblickt hat. In seiner kunstvoll gepressten Holzbox oder seinem maßgeschneiderten ledernen Handtäschchen wirkt der Rum ob dieser sorgfältigen Behandlung nahezu wie ein Baby. Ein Baby, das übrigens viele Taufpaten hat. Die hat der Marketingprofi allesamt im sogenannten Rum Council. Das sind insgesamt 50 Mitglieder, die für die Einzigartigkeit von Reisetbauers „Rumbaby“geradestehen. Darunter sind etwa Eckart Witzigmann, die Barkeeper-Legende Charles Schumann, Juan Amador, die Familie Reitbauer
– suchen Sie sich einen coolen Gastro-Menschen: Er ist sicher dabei.
So weltoffen die Vermarktung des – Achtung: tief Luft holen – Social 4x50 R.N.P. Super Premium ist, so beschaulich ist die Quelle des guten Geschmacks. Das sei nämlich eindeutig, so Reisetbauer, das Mühlviertler Wasser von Franz Irxenmayr. Es trägt den kurzen und bescheidenen Namen Irx und entspringt einer Quelle aus dem in der Tertiärzeit entstandenen Urgesteinsmassiv. Es ist besonders mild, kalk- und natriumarm sowie von ausgesprochener Reinheit. Für so ein Wasser würden Piraten in der Karibik töten. Während der Rum Reisetbauers immerhin um 159,90 Euro erhältlich ist.
Apropos Piraten: Solche haben kürzlich ausgerechnet im Süden Salzburgs eine markante Spur hinterlassen. In Walter Grülls Fischhandel in Grödig ist seit 3. August der White Pearl Vodka um schlanke 99 Euro erhältlich. Die Perle bezieht sich auf die Austern, die für diesen Wodka mazeriert und destilliert werden. Fünf bis Stück pro Flasche. Eine kleine Beigabe lässt auch die Frauenherzen höherschlagen. Auf dem Grund jeder Flasche befindet sich nämlich eine weiße Naturperle. „Mit etwas Geduld und Muße kann man sich mit diesem Wodka eine Perlenkette ertrinken“, sagt Grüll augenzwinkernd. Destilliert wurde der Austro-Austern-Wodka im Lungau von Walter Trausner. Er beschreibt ihn mit einer großen Portion Fernweh: Im Glas sonnenklar; in der Nase ein leichtes Meerwasser, ein Hauch Gurke, Seetang im weitesten Sinn; wie mit einem dicken Pullover auf einer Felsenküste stehend, die Gischt spritzt, es ist frisch und kalt; Brandung; im Abgang nussig. Der Nussgeschmack entsteht durch das Kochen der Austern während des Destillierens. Die Gurke ist eine jener organischen Beigaben, die den Fischgeschmack ausbalancieren sollen. „Ich habe einmal bei Franz Fuiko Austern mit eiskalter Gurkensuppe gegessen. Das war unvergesslich.“Jetzt hat er diesen Geschmack konserviert – für immer.