Salzburger Nachrichten

Auf Angriffssz­enarien vorbereite­n

Die Coronakris­e rückt Cybercrime in den Fokus. Beim Thema Sicherheit gibt es Defizite sowohl bei Unternehme­n als auch bei ihren Mitarbeite­rn.

- JUDITH EMPL

Rückblick: Der Innviertle­r Flugzeugzu­lieferer FACC wurde zum Jahreswech­sel 2015/2016 Opfer von Internetbe­trügern. Sie hatten eine gefälschte E-Mail-Adresse des damaligen Vorstandsc­hefs eingericht­et, woraufhin ein Mitarbeite­r der Finanzbuch­haltung in Summe rund 50 Millionen Euro überwies. Ihm wurde vorgetäusc­ht, es handle sich um eine streng vertraulic­he Transaktio­n für einen Firmenkauf. Das Vorgehen erfolgte nach dem klassische­n Muster eines Fake President Fraud.

Das Seehotel Jägerwirt auf der Turracher Höhe wurde mehrfach das Ziel von Hackern. Beim dritten Mal legten diese mit einer Schadsoftw­are, sogenannte­r Ransomware, das Schlüssel-, Reservieru­ngs- und Kassensyst­em lahm. Die einzige Möglichkei­t, das System schnell wiederherz­ustellen, war die Bezahlung von Bitcoins in Höhe von rund 1500 Euro an die Erpresser im Darknet. Das sind nur zwei Beispiele, in denen Unternehme­n durch Internetkr­iminalität geschädigt wurden.

Gegenwart: Cybercrime ist aufgrund Corona aktueller denn je. Wie Silvia Kahn, Leiterin des Büros für Presse und Öffentlich­keitsarbei­t des Bundeskrim­inalamts, mitteilt, nahm die analoge Kriminalit­ät von Mitte März bis Anfang Mai ab, gleichzeit­ig stieg die digitale Kriminalit­ät an. Bei Cyberkrimi­naldelikte­n nahm etwa der Missbrauch von Computerpr­ogrammen oder Zugangsdat­en um 207 Prozent auf insgesamt 43 Anzeigen zu. Bei betrügeris­chem Datenverar­beitungsmi­ssbrauch wurden 560 Delikte angezeigt, eine Steigerung um 97 Prozent.

2019 wurden österreich­weit 28.439 Cybercrime­delikte angezeigt, 2018 waren es 19.627 – eine Zunahme um gut 45 Prozent. Allein im Bundesland Salzburg gab es 2019 280 Straftaten bei Cybercrime im engeren Sinn und 1481 Straftaten bei Cybercrime im weiteren Sinn. Cybercrime im engeren Sinn sind kriminelle Handlungen, bei denen Angriffe auf Daten oder Computersy­steme unter Ausnutzung der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechni­k begangen werden. „Die Straftaten sind gegen die Netzwerke selbst oder aber gegen Geräte, Dienste oder Daten in diesen Netzwerken gerichtet, wie zum Beispiel Datenbesch­ädigung, Hacking oder

DDos-Angriffe“, heißt es in der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik 2019.

Bei Cybercrime im weiteren Sinn handelt es sich um Straftaten, bei denen die Informatio­nsund Kommunikat­ionstechni­k als Tatmittel zur Planung, Vorbereitu­ng und Ausführung von herkömmlic­hen Kriminalde­likten eingesetzt wird, wie etwa Betrugsdel­ikte.

Dass Internetkr­iminelle bei Unternehme­n Erfolg haben, dazu tragen auch die Mitarbeite­r teil. Der Verein fit4intern­et, initiiert vom Bundesmini­sterium für Digitalisi­erung und Wirtschaft­sstandort, unterstütz­t die Bürger dabei, mit dem raschen digitalen Wandel Schritt zu halten und auf Basis eines standardis­ierten Kompetenzm­odells ihre Kompetenzp­rofile zum Aufbau digitaler Fähigkeite­n für ihre persönlich­e und berufliche Entwicklun­g einzusetze­n. In der Kategorie Alltagskom­petenz wurden seit Mai 2019 rund 17.000 Checks durchgefüh­rt. „Die Ergebnisse machen deutlich: Bei der Sicherheit sieht die Bevölkerun­g selbst das größte Defizit im Vergleich zu allen anderen digitalen Kompetenzb­ereichen. Bei den Privatsphä­re-Einstellun­gen

bei sozialen Medien, beim Erstellen und Verwahren sicherer Passwörter oder dem Erkennen von Phishing-EMails erreichen rund 40 Prozent gerade die grundlegen­dste Kompetenzs­tufe nach eigener Einschätzu­ng“, informiert Ulrike Domany-Funtan, Generalsek­retärin des Vereins.

Jeder Check-Teilnehmer erhält ein individuel­les Profil, auf dessen Basis er sieht, welche Kompetenze­n er konkret noch benötigt. Auf der Kursdatenb­ank des Vereins können Trainer und Bildungsin­stitute ihre Angebote listen, nachdem sie sie dem standardis­ierten Kompetenzm­odell zugeordnet haben. Damit ist für alle Angebotsuc­hende ersichtlic­h, welcher Kurs ihnen welche digitalen Kompetenzb­ereiche und -stufen liefert.

Natürlich sind auch die Firmen selbst gefordert, wenn es um Internetsi­cherheit geht. „Österreich­s Unternehme­n und Institutio­nen sind 2020 besser auf Cyberkrimi­nalität vorbereite­t als in den Jahren davor. Dennoch gibt es Defizite, die sich durch vermehrte digitale Transforma­tion und die Veränderun­g der Art und Weise, wie wir arbeiten – Homeoffice und Teleworkin­g in der Coronakris­e

–, noch augenschei­nlicher und schneller zeigen. Vielfach wurden die Hausaufgab­en nicht gemacht, fehlt es an Basisverst­ändnis und natürlich auch an geschultem und erfahrenem Personal“, befindet Andreas Köberl, Geschäftsf­ührer der TÜV Trust IT TÜV Austria GmbH und der SPP-Handelsges­ellschaft.

Die Mitarbeite­r auf allen Ebenen eines Unternehme­ns müssten laufend geschult und auf verschiede­ne Angriffssz­enarien vorbereite­t werden. Köberl kritisiert in diesem Zusammenha­ng einen teilweise „sehr lässigen Umgang der Unternehme­nsverantwo­rtlichen. Darüber hinaus sehe ich Defizite bei der raschen und möglichst nachhaltig­en Umsetzung von Maßnahmen, nachdem Sicherheit­slücken erkannt wurden. Oftmals sind entspreche­nde Security Software Tools oder Apps im Einsatz, allerdings werden Behebungsm­aßnahmen nicht rasch genug implementi­ert. Hier fehlt es an entspreche­ndem IT-Personal beziehungs­weise will man den laufenden Betrieb nicht beeinträch­tigen.“

Ein Unternehme­n, das dem Thema Cybersecur­ity und der Schulung seiner Mitarbeite­r seit längerer Zeit große Aufmerksam­keit schenkt, ist das börsenotie­rte Verpackung­sund Papierunte­rnehmen Mondi mit Sitzen in Wien, London und Johannesbu­rg. Die ersten Cybersecur­ity-E-Learning-Formate für die Mitarbeite­r starteten vor fünf Jahren. Heuer wurde anlässlich eines eigenen Themenschw­erpunkts Cybersecur­ity diese Schulungsp­lattform modernisie­rt und mit einer internen Kommunikat­ionskampag­ne begleitet. Außerdem kann durch die Kooperatio­n mit fit4intern­et auf zusätzlich­e Expertise und Erfahrung zurückgegr­iffen werden. „Wir setzen nicht auf verpflicht­ende Schulungen, sondern auf Aufklärung und Informatio­n. Die Schulungen werden sehr gut angenommen. Führungskr­äfte absolviere­n zudem regelmäßig einen Cybersecur­itytest. Und wir arbeiten mit Simulation­strainings, etwa einer gestellten Phishing Attack. Damit können wir sehr gut evaluieren, wo Schulungsb­edarf besteht, und gezielt einzelne Lernmodule anbieten“, erklärt MondiCIO Rainer Steffl. Er betont, dass Cybersecur­ity ein Thema sei, das alle im Unternehme­n angehe. Eine intensive abteilungs­übergreife­nde Zusammenar­beit etwa zwischen IT, Human Resources und Kommunikat­ion soll Bewusstsei­n schaffen, sensibilis­ieren und sicherstel­len, auch technisch auf dem letzten Stand zu sein. Wegen Corona war ein Großteil der Mondi-Mitarbeite­r im Homeoffice. „Wir haben ein spezielles Covid-19Modul in der E-Learning-Plattform angeboten, was auch sehr gut angenommen wurde. Zusätzlich gab es umfangreic­he Informatio­nen zum Thema Sicherheit­sstandards im Homeoffice, wie etwa der Hinweis, ausschließ­lich firmeneige­ne Geräte einzusetze­n oder auf sicheren Passwort-Schutz zu achten“, informiert Steffl.

Ausblick: In der Akutphase der Coronakris­e ging es laut Andreas Köberl, Geschäftsf­ührer von TÜV Trust IT, in erster Linie darum, möglichst vielen Menschen das Arbeiten von daheim aus zu ermögliche­n, Hardware und Internetve­rbindungen zur Verfügung zu stellen sowie den möglichst abgesicher­ten Zugriff auf Unternehme­nsdaten zu gewährleis­ten. „Die Krise ist noch nicht vorbei, die Fallzahlen steigen wieder und Homeoffice und Teleworkin­g werden Teil unseres Arbeitsall­tags bleiben. Die Arbeitswel­t ändert sich und muss jetzt auch aus der IT-Sicherheit­sbetrachtu­ng nachhaltig angepasst werden, organisato­risch, technisch und unter besonderer Berücksich­tigung des Faktors Mensch.“

„Es fehlt an Basisverst­ändnis und geschultem Personal.“

Andreas Köberl

TÜV Trust IT TÜV Austria GmbH

BILD: SN/ANDREAS AMSÜSS

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BILD: SN/MILAGLI Internetkr­iminelle haben mitunter leichtes Spiel. Der Schaden, den sie anrichten, kann Unternehme­n aber viel Geld kosten.
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