Hat die Coronakrise die Menschheit besser gemacht?
Das Virus werde die Gesellschaft von vielen Leiden heilen, hieß es zu Beginn der Krise. Zieht man Zwischenbilanz, stößt man auf wenig Heilung.
Als das Coronavirus auftauchte, mangelte es nicht an Aufsätzen großer Denker, die prophezeiten, dass die Menschheit geläutert und gebessert aus der Heimsuchung hervorgehen werde. Das war tröstlich zu lesen, aber schon damals nicht rasend glaubhaft. Denn wäre die Welt durch jede der zahllosen Krisen, die in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden über sie hereingebrochen sind, ein Stückchen besser geworden, müsste sie längst beim Idealzustand angekommen sein. Und ist sie das wirklich? Na ja.
Auch bei den Folgen der Coronakrise haben sich Licht und Schatten gemischt. Auf der einen Seite gab es rührende Beispiele von Hilfsbereitschaft und aufopfernder Nachbarschaftshilfe. Das zeigte das Gute, das im Menschen steckt. Auf der anderen Seite gab es die schäbigsten Betrügereien mit gefälschten Masken und erschwindelten Coronahilfen. Das zeigt, dass Menschen nicht davor zurückschrecken, auch noch die größten Nöte ihrer Mitmenschen auszunützen.
Wobei der betrügerische Bezug von Coronahilfen
doppelten Schaden anrichtete. Denn er kostete nicht nur Geld, sondern zwang auch die Behörden dazu, statt der versprochenen raschen und unbürokratischen Vorgangsweise doch jeden Einzelfall zu prüfen, was die Auszahlungen insgesamt verzögerte. Die Braven zahlten somit die Zeche für die schwarzen Schafe. Aber das ist ja immer so.
Auch das Handeln der Behörden ergab kein einhelliges Bild. Auf der einen Seite reagierte Österreich so schnell wie kaum ein anderes Land auf die Gefahr. Auf der anderen Seite passierten dabei unerklärliche Fehler. Auf der einen Seite leisteten die Einsatzkräfte Enormes, auf der anderen Seite verhängten sie mit sturer „Vurschrift ist Vurschrift“-Mentalität unerklärliche Strafen.
Das gleiche Bild bot die Politik. Einige Wochen zogen die Parteien – zusammengeschweißt vom Schrecken über das Ausmaß der drohenden Gefahr – an einem Strang. Doch nach wenigen Wochen verfielen sie schon wieder in den alten Streit-Trott.
Nicht anders lief es auf europäischer Ebene ab: Die EU-Gewaltigen nahmen sich vor, gemeinsam ein gigantisches Hilfspaket zu schnüren. Bis es so weit war, boten sie aber ein desaströses Bild der Uneinigkeit. Die EU zeigte sich wieder einmal als die Summe der Egoismen der Mitgliedsstaaten, abzüglich des schlechten historischen Gewissens der Deutschen. Das war vor Corona so und das ist jetzt auch nach Corona so.
Die größten Veränderungen erwarteten die eingangs erwähnten Denker im Wirtschaftsleben. Der sinnentleerte Konsumwahn und der schädliche Massentourismus würden sich aufhören, prophezeiten sie. Und was ist geschehen? Ja, der Konsum im Geschäft um die Ecke hörte sich wegen der erzwungenen Ladenschließungen auf. Dafür wurde im Internet mehr konsumiert als je zuvor.
Der Effekt ist, dass noch mehr alteingesessene Geschäfte zusperren müssen und die Innenstädte noch mehr veröden, während dank des wachsenden internationalen Versandgeschäfts die Müllberge wachsen, die Handelsbilanzdefizite steigen und die Steuereinnahmen im Inland sinken. Danke, Corona!
Auch die prognostizierte Umkehr im Tourismus fand nicht statt. Ja, anfangs gab es leere Städte und Fremdenverkehrsorte, was diejenigen, die nicht unmittelbar vom Tourismus leben, durchaus genossen. Eine leere Getreidegasse oder ein Amselgesang in der Wiener Innenstadt, das war schon was.
Aber nicht für die Fremdenverkehrswirtschaft, von der Österreich zu einem Gutteil abhängig ist. Mit allen Mitteln (auch jenem der Grenzschließungen zu anderen Tourismusländern) wurde daher versucht, die Gästeströme wieder in heimische Betten zu lenken. Auch aus anderen Ländern trafen Berichte ein, dass die Touristenmassen, über die zuvor alle gestöhnt hatten, heftig beklatscht wurden, als sie endlich wieder eintrafen.
Licht und Schatten zeigten sich schließlich auch bei der persönlichen Krisenbewältigung. Die Disziplin, mit der die Österreicher anfangs die Coronaregeln einhielten, war erstaunlich. Ebenso erstaunlich ist jedoch die Sorglosigkeit, mit der jetzt manche Gruppen sämtliche Mahnungen in den Wind schlagen und dadurch sich und andere in Gefahr bringen.
Auch die Scheinheiligkeit kommt nicht zu kurz. Viele zeigten sich entsetzt über die Coronaausbrüche in den Massenquartieren von ausländischen Hilfsarbeitern in Schlachthöfen. Aber würden wir das Doppelte für den Sonntagsbraten zahlen, um eine anständige Fleischproduktion zu ermöglichen?
Kurzum: Corona hat die Welt nicht besser gemacht und konnte es auch gar nicht. Denn alle Versuche, die Menschheit als Ganzes zu verbessern, enden im Desaster. Wer die Menschheit besser machen will, muss immer mühsam bei sich selbst beginnen.