Schluss mit Kleinkriegen: Jetzt braucht es Solidarität!
Männerdominierte Systeme sind ein Nährboden für Konkurrenz unter Frauen. Doch gerade jetzt sollten sie zusammenhalten.
Die Coronakrise hat die Lage für Frauen am Arbeitsmarkt weiter verschärft. Handel, Hotellerie, Gastronomie – gerade in Branchen mit hohem Frauenanteil ist die Arbeitslosenrate dramatisch angestiegen. Die Befürchtung liegt nahe, dass der steigende Druck am Arbeitsmarkt auch Konkurrenzkämpfe im Job befeuert. Denn eines lernen sowohl Frauen als auch Männer schon zu Beginn ihres Arbeitslebens: Wer auffallen will, muss laut sein.
Es gibt viele Positivbeispiele für Solidarität unter Frauen. Dennoch darf man nicht die Augen davor verschließen, dass gerade im Berufsleben aus Freundinnen schnell Konkurrentinnen werden können. Da ist die schwangere Kindergartenpädagogin, die von der Chefin wegen Übelkeitsanfällen gemobbt wird. Dort die Kollegin, die bei Meetings außen vor gelassen wird, weil sich eine andere dadurch Vorteile verschaffen will. Nicht selten gibt es auch Generationenkonflikte am Arbeitsplatz: Etwa wenn die ältere Kollegin der jüngeren den vergleichsweise einfachen Weg zum Erfolg nicht vergönnt. Ganz nach dem Motto „Ich habe hart kämpfen müssen, also soll sie das auch“.
Doch woran liegt es, dass Frauen oft das Gefühl haben, fürs berufliche Weiterkommen auf Egoismus statt Solidarität setzen zu müssen? Es gibt viele Studien, die suggerieren, dass Frauen im Job neidischer aufeinander sind und stärker zu Intrigen neigen als ihre männlichen Kollegen. Frauen würden sich ständig mit anderen vergleichen, heißt es. Solche Untersuchungen sind nicht nur wenig aufschlussreich, sondern befeuern auch völlig zu Unrecht das Klischee des Zickenkriegs – und spielen damit den Ewiggestrigen in die Hände.
Gewiss sind die Gründe für Konkurrenzkämpfe von Fall zu Fall verschieden. Das kann Neid sein, ein angekratztes Selbstbewusstsein oder reine Machtgier. Probleme, die auch Männern bekannt sein dürften. Es gibt aber auch strukturelle Gründe: Dem Konkurrenzdruck unter Frauen liegt ein Kampf um Aufmerksamkeit und Wertschätzung in einer männerdominierten Arbeitswelt zugrunde. Frauen wurden durch jahrzehntelange Benachteiligung quasi dazu gezwungen, die Ellbogen einzusetzen, wenn es darum geht, dem Chef oder der Chefin zu imponieren. Patriarchale Strukturen sind ein Nährboden für Rivalität unter Frauen.
Zugleich zeigt die Geschichte, dass alle großen Errungenschaften – vom Frauenwahlrecht bis zur MeToo-Bewegung – nur möglich waren, weil Frauen an einem Strang zogen. Auf großer Ebene scheint es also zu klappen. Man möge sich vorstellen, was auf kleiner Ebene noch alles möglich wäre, wenn die Solidarität auch im Alltag stärker wäre. Kleinkriege und Schikane würden jedenfalls der Vergangenheit angehören.