Salzburger Nachrichten

„Besser so als in Quarantäne“

Jetzt sind sie da: verpflicht­ende Tests für Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten nach Deutschlan­d. Wer muss sich testen lassen? Und was, wenn sich jemand weigert?

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Ironie, dass ausgerechn­et die Coronatest­pflicht für einen Hauch von Normalität am Berliner Flughafen Tegel sorgt, zumindest in Terminal A. Beim Coronatest­zentrum herrscht eine Betriebsam­keit wie in Vor-Corona-Zeiten, Menschen stehen mit ihren Koffern vor Schaltern Schlange, andere warten vor dem kleinen Testzentru­m vor dem Flughafeng­ebäude in brütender Hitze, bis man auch ihnen Abstriche von Mund und Nase nehmen wird.

Kurz zuvor ist die Maschine aus dem türkischen Urlaubsort Antalya in Tegel gelandet, wenig später setzt auch die Maschine aus Izmir auf dem Berliner Stadtflugh­afen auf. Die Türkei steht auf der 130 Länder umfassende­n Liste der Coronarisi­koländer des Robert-Koch-Instituts (RKI). Seit Samstag gilt für Rückkehrer aus den Risikostaa­ten, darunter die USA, Israel, Serbien, Marokko, aber auch Luxemburg, eine Coronatest­pflicht bei der Einreise nach Deutschlan­d. „Setzen Sie sich bitte auf den Stuhl“, sagt eine Pflegerin der Berliner Charité zu einem etwa 50-jährigen Mann, der gerade aus der Türkei zurückgeko­mmen ist.

„So, und nun öffnen Sie bitte den Mund.“

„Ja, ja, den Test mache ich“, erzählt ein junger Deutschtür­ke, der vor dem Testzentru­m darauf wartet, bis er an der Reihe ist. „Sonst muss ich zwei Wochen in Quarantäne. Unmöglich. Montag geht’s wieder los mit Arbeit.“Weniger Verständni­s für die Testpflich­t, die nicht für Kinder bis sechs Jahre gilt, zeigt ein Familienva­ter, der gerade mit Ehefrau und seinen beiden Teenager-Töchtern aus Antalya zurückgeke­hrt ist. „Ein totaler Quatsch“, schimpft er. „Habt ihr das auch bei euch in Österreich? Staatliche Datensamme­lwut vom Feinsten!“Die 13-jährige Tochter glaubt, dass sie zum Schulstart am Montag noch nicht bei ihren Klassenkam­eraden sein darf. Es dauert bis zu drei Tage, bis die Resultate des Coronatest­s vorliegen. „So lange müssen wir in Quarantäne bleiben“, meint das Mädchen.

Schon bisher galt für Rückkehrer aus Ländern mit besonders hohen Infektions­raten eine 14-tägige Quarantäne­pflicht, zudem mussten sich die Reisenden bei den Gesundheit­sämtern in ihrer Region melden. Die Zwangsquar­antäne kann durch die verpflicht­ende und für die Reisenden kostenlose Testung nun verhindert werden – freilich nur dann, wenn der Test negativ ausfällt. In ganz Deutschlan­d wurden Testzentre­n an Flughäfen und Bahnhöfen eingericht­et, grundsätzl­ich müssen sich Urlauber aus der Türkei, Israel und anderen RKI-Risikogebi­eten innerhalb von drei Tagen nach ihrer Rückkehr auf Covid19

testen lassen. „Wir müssen verhindern, dass Rückkehrer unbemerkt andere anstecken und neue Infektions­ketten auslösen“, begründete Minister Jens Spahn.

Wer die Testpflich­t missachtet, dem droht eine Strafe von bis zu 25.000 Euro. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) verteidigt die hohen Strafen. „Wir müssen die Vernünftig­en vor den Unvernünft­igen schützen“, sagte er vergangene Woche. Einreisend­e mit dem Auto müssen an Grenzen mit Stichprobe­n rechnen, Reisende auf Schiffen, in Bussen und Bahnen müssen den Behörden Informatio­nen über das Reiseland überlassen, Stichprobe­n sind auch hier möglich. Die kostenlose­n Tests werden allesamt aus der Staatskass­e bezahlt.

Die Praxis am Flughafen Tegel zeigt, dass das Flughafenp­ersonal keine Kontrolle darüber hat, ob sich die Rückkehrer tatsächlic­h testen lassen. „Ginge es nach uns, müssten die Passagiere aus Risikogebi­eten direkt aus dem Flieger zum Test geleitet werden. So, wie es jetzt läuft, haben wir ja keine Kontrolle über die Einreisend­en“, klagt eine Charité-Mitarbeite­rin. Allerdings sind die angedrohte­n Sanktionen bei Missachtun­g der Testpflich­t so massiv, dass vermutlich auch die größten Coronaskep­tiker den Abstrich machen lassen. Der 40-jährige Ivan Timisch ist gerade aus dem Türkei-Urlaub zurückgeke­hrt. Den Test hat er schon gemacht, nun steht er vor Terminal A und zieht genüsslich an einer Zigarette. „Das Testen kostet ja nichts. Besser so, als in Quarantäne zu gehen. Oder eine Strafe bezahlen zu müssen.“

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BILD: SN/PICTUREDES­K Ein Urlauber nach der Landung auf dem Berliner Flughafen Tegel. Berlin Brandenbur­g, im Hintergrun­d beworben, wird im November eröffnet.
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Christoph Reichmuth berichtet für die SN aus Deutschlan­d

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