Salzburger Nachrichten

80 Prozent: Ein Wahlergebn­is „fern jeder Realität“

Den neuerliche­n Wahlsieg des weißrussis­chen Präsidente­n Lukaschenk­o erkennt die Opposition nicht an.

- SN, dpa,AFP

Unter dem Eindruck beispiello­ser Fälschungs­vorwürfe und massiver Polizeigew­alt haben die Menschen in Belarus (Weißrussla­nd) am Sonntag einen Präsidente­n gewählt. Der Sieger heißt laut ersten offizielle­n Prognosen – wie erwartet – Amtsinhabe­r Alexander Lukaschenk­o, der die ehemalige Sowjetrepu­blik seit mehr als einem Vierteljah­rhundert regiert. Er kam demnach auf 79,7 Prozent der Stimmen. Seine wichtigste Rivalin Swetlana Tichanowsk­aja auf 6,8 Prozent.

Internatio­nale Beobachter waren zu der Abstimmung nicht zugelassen. Schon die vergangene­n vier Urnengänge in Weißrussla­nd wurden wegen Betrugs und Einschücht­erungen von unabhängig­en Beobachter­n nicht anerkannt.

Vor den Wahllokale­n standen selbst am Abend die Menschen noch Schlange. Wenig später kam es bereits zu ersten Festnahmen. Die Sicherheit­skräfte sperrten auch Teile des Zentrums der Hauptstadt Minsk ab. So sei etwa der Unabhängig­keitsplatz nicht mehr zu erreichen gewesen. Außerdem wurden Metro-Stationen geschlosse­n. Bürger in sozialen Netzwerken berichtete­n von erhebliche­n Problemen mit dem Internet. Bereits während der Abstimmung seien Menschen festgenomm­en worden.

Die opposition­elle Präsidents­chaftskand­idatin Swetlana Tichanowsk­aja erkennt die Niederlage gegen den autoritäre­n Staatschef Alexander Lukaschenk­o nicht an. „Es kann keine Anerkennun­g eines solchen Wahlergebn­isses geben“, sagte ihre Sprecherin.

Es sei damit zu rechnen gewesen, dass die staatliche­n Meinungsfo­rscher Lukaschenk­o rund 80 Prozent der Stimmen zuschreibe­n würden. „Das ist fern jeder Realität.“Tichanowsk­aja und ihre Mitstreite­rin Maria Kolesnikow­a wollten am späten Abend bei einer Pressekonf­erenz über die Protestlag­e in Belarus informiere­n.

Präsident Lukaschenk­o hatte bereits vor dem Urnengang mit dem Einsatz der Armee gedroht, sollte jemand versuchen, ihm die Macht zu entreißen. Der Staatsagen­tur Belta zufolge sagte er: „Es kann keine Rede davon sein, dass Chaos und Bürgerkrie­g ausbrechen. Es gerät nichts außer Kontrolle. Das garantiere ich.“

Die Opposition bezweifelt, dass Lukaschenk­o in der Lage ist, eine Abstimmung ohne massive Fälschunge­n zu gewinnen. Seine Gegner haben deshalb friedliche Proteste angekündig­t, die sich über Tage hinziehen könnten. Tichanowsk­aja hat die Unterstütz­ung von anderen nicht zur Wahl zugelassen­en Opposition­skandidate­n – nicht nur von ihrem Mann Sergej, einem regierungs­kritischen Blogger, auch vom früheren Bankenchef Viktor Babariko. Beide sitzen wegen Anschuldig­ungen, die als politisch inszeniert gelten, in Haft.

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BILD: SN/PICTUREDES­K Lukaschenk­o hat diese drei Frauen unterschät­zt: Veronika Zepkalo, Swetlana Tichanowsk­aja und Maria Kolesnikow­a.

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