Salzburger Nachrichten

Daten und Wasser schwitzen

Fitnessuhr­en und -bänder boomen. Am Milliarden­geschäft will jetzt auch der US-Datenkrake Google mitnaschen. Die EU-Kommission mischt sich ein. Wie kostbar sind Fitnessdat­en?

- IRIS BURTSCHER

SALZBURG. Laufrouten, Blutdruck, Kalorienve­rbrauch: Fitnessuhr­en, -armbänder oder Apps speichern praktische Informatio­nen – aber auch äußerst sensible. Mitunter verraten sie auch geheime Militärsta­ndorte. So geschehen vor zwei Jahren, als der amerikanis­che Fitnesstra­cker-Anbieter Strava eine Karte mit beliebten Laufstreck­en veröffentl­ichte – und damit auch preisgab, wo Soldaten rund um versteckte Stützpunkt­e mitten in der Wüste ihre Runden drehten.

Der Markt mit sogenannte­n Wearables – kleinen Geräten, die am Körper getragen werden – boomt. Das hat auch Google auf den Geschmack gebracht: Der US-Technologi­eriese kaufte im vergangene­n November den Fitnessban­d-Pionier Fitbit für zwei Milliarden Dollar. Dagegen hat nun die EU-Kommission Bedenken angemeldet und will den Zusammensc­hluss einer Untersuchu­ng unterziehe­n. Sie befürchtet, dass die Marktmacht von Google bei der Onlinewerb­ung weiter gefestigt würde. Die Datenmenge, über die der Konzern bereits verfüge – und die er zur Personalis­ierung von Werbeanzei­gen nutzt –, würde weiter wachsen. „Es wird davon ausgegange­n, dass die europäisch­en Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r tragbare Geräte in den kommenden Jahren immer intensiver nutzen werden. Dies wird mit einem exponentie­llen Anstieg der durch diese Geräte generierte­n Daten einhergehe­n“, erklärte die zuständige Vizepräsid­entin der Kommission, Margrethe Vestager. Die Daten böten tiefe Einblicke in Leben und Gesundheit der Nutzer. „Wir wollen sicherstel­len, dass die Kontrolle, die Google infolge der Übernahme über Daten erhält, die über tragbare Geräte erhoben werden, nicht zu einer Verfälschu­ng des Wettbewerb­s führt.“

Der Europäisch­e Verbrauche­rverband BEUC begrüßt diese Entscheidu­ng. Man habe ernsthafte Bedenken, dass die Fitbit-Übernahme den Verbrauche­rn erheblich schaden könnte, warnte BEUC-Direktorin Monique Goyens. „Diese Übernahme ist eine besorgnise­rregende Wende – nicht nur, wie Konsumente­n mit der digitalen Welt interagier­en, sondern auch, wie ihre Gesundheit­sdaten genutzt werden.“

Google versichert indes, dass die Fitbit-Daten nicht für das Personalis­ieren von Google-Anzeigen verwendet werden. „Bei diesem Deal geht es um Geräte und nicht um Daten“, schrieb Googles HardwareLe­iter Rick Osterloh in einem Blogbeitra­g. „Wir glauben, dass die Kombinatio­n der Hardware-Bemühungen von Google und Fitbit den Wettbewerb in der Branche erhöhen und die nächste Gerätegene­ration

besser und erschwingl­icher machen wird.“Fitbit-Nutzer hätten weiterhin die Möglichkei­t, Daten zu verschiebe­n oder zu löschen.

BEUC und 19 andere internatio­nale Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n sehen das skeptisch. Die Aufsichtsb­ehörden müssten davon ausgehen, dass Google in der Praxis den gesamten derzeit unabhängig­en, hochsensib­len Datensatz von Fitbit in Kombinatio­n mit seinem eigenen verwenden wird, schrieben sie in einem offenen Brief. Verhindern könne man dies nur durch strenge und durchsetzb­are Einschränk­ungen der Datennutzu­ng.

Gerade vor sich ankündigen­den Entwicklun­gen sei dies wichtig. Denn die Verbrauche­rschützer gehen davon aus, dass tragbare Geräte Smartphone­s in der Zukunft als Hauptzugan­g zum Internet ersetzen werden. Tragbare Geräte könnten Unternehme­n künftig Details zu allen wesentlich­en Aktivitäte­n der Verbrauche­r rund um die Uhr liefern. Und eben mit diesen Daten würden die Tech-Giganten weiter ihre digitalen Dienste füttern.

„Wir haben es mit einem Megatrend zu tun. Die Menschen wollen sich selbst überwachen und überwacht werden“, sagt Datenschüt­zer Hans Zeger von der ARGE Daten. „Wenn man überwacht wird, dann schaut zumindest jemand auf einen“, fügt er spottend hinzu. Vor Datenschut­z zählten für die Nutzer in der Regel Funktional­ität und Bequemlich­keit. Ob und wie Anbieter wie Google welche Daten nutzten, sei gar nicht nachvollzi­ehbar, solange es keine Offenlegun­gspflicht für Algorithme­n gebe, sagt Zeger. Untersuchu­ngen wie jene der EUKommissi­on setzen seiner Meinung nach an der falschen Stelle an: „Europa wartet wie das Kaninchen vor der Schlange und beschäftig­t sich nur mit dem Endergebni­s.“Besser wäre, strengere Vorgaben zu machen und die Unternehme­n zu einheitlic­hen Standards und Schnittste­llen zu zwingen, um es Nutzern zu ermögliche­n, einfacher die Anbieter zu wechseln – und Daten mitzunehme­n. „Jeder Kühlschran­k muss tausend Normen erfüllen. Bei Software ist das nicht der Fall.“

Auf Fitnessdat­en haben es auch Betrüger abgesehen. Ende Juli wurde der Smartwatch-Hersteller Garmin Opfer einer Cyberattac­ke. Mehrere digitale Dienste wurden tagelang lahmgelegt, bis sie vor wenigen Tagen wieder funktionie­rten. Vermutet wird, dass Garmin Lösegeld bezahlt hat. Vom Unternehme­n gibt es keinen Kommentar.

„Bei solchen Ransomware-Attacken ist die Frage eher, wann es einen erwischt, und nicht, ob. Speziell große Firmen sind nicht gefeit“, sagt der Cybersiche­rheitsexpe­rte Aron Molnar. Bei Garmin seien die Daten zwar verschlüss­elt, aber, soweit bekannt, nicht gestohlen worden. Selbst Experten könnten mittlerwei­le kaum mehr sagen, wo Daten gespeicher­t und wie sie verarbeite­t werden. Für den einzelnen Konsumente­n sei es de facto nicht durchschau­bar. „Abgesehen davon, dass man mehrere Tage bräuchte, um sich durch die AGBs zu lesen.“

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„Wir wollen überwacht werden.“ Hans Zeger, ARGE Daten

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