Salzburger Nachrichten

Schwarze Kreaturen zähmen die eigene Angst

Der in Wien lebende Syrer Adel Dauood zeichnet Fabelwesen und malt menschlich­e Gräuel.

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Die tiefschwar­ze Kreatur hat drei Augen, sechs Beine und einen Schwanz. Solche eigenartig­en Tiere bringt der Künstler Adel Dauood mit Tusche auf weißes Papier, das er zuvor mit dem Messer bearbeitet, zerkratzt und aufgeraut hat. „Creature“lauten die Titel dieser Mischwesen aus der Erinnerung an seine Kindheit und Transforma­tionen durch seine Fantasie. Die schwarzen Wesen auf der verletzten Bildoberfl­äche erscheinen sowohl mächtig als auch isoliert zu sein. Sie dienen dem subjektive­n Schutz von jenem, der sie erschaffen hat.

„Sie treten auf, wenn es dem Künstler schlecht geht, wenn er seiner Angst Ausdruck verleihen und diese gleichzeit­ig zähmen möchte“, sagt Günther Holler-Schuster, Kurator der Ausstellun­g „Flut“von Adel Dauood im Greith-Haus. Mit dieser Schau sei die Globalisie­rung in das südwestste­irische Kulturzent­rum eingezogen. Dieses bietet seit Jahren Sommerauss­tellungen, wenngleich nicht nur qualitätsv­olle. Adel Dauood ist ein Kurde aus Syrien. Er wurde 1980 in al-Hasakha geboren, studierte Kunst in Damaskus, flüchtete vor dem Bürgerkrie­g und lebt seit 2013 in Wien.

Ebendort malt er großformat­ige, bunte Bilder, die von der Geschunden­heit des (menschlich­en) Körpers berichten – Symbole für die inneren Konflikte, denen der Künstler ausgesetzt ist. Die Titel der Arbeiten geben die Inhalte vor: „Zwei Sekunden vor dem Tod“, „Die Flut“,

„Chaos“oder „Isolation“. Dauood lässt in seinen panoramaar­tigen Acrylbilde­rn seltsame Mischwesen zwischen Mensch und Tier – oder sind es Dämonen? – im alles überfluten­den Wasser auftauchen, zwischen schwimmend­en Koffern und Gliedmaßen wird eine Bedrohlich­keit sicht- und spürbar. Im Zyklus „Chaos“scheint alles in Auflösung begriffen zu sein, Körperteil­e gehen im Umraum auf, hie und da blitzen noch Augen aus dem Strudel der Entmateria­lisierung. Hände, Füße,

Textilien – alles verschwimm­t in intensiver Farbigkeit. Es sind Visionen (oder Erinnerung­en) an apokalypti­sche Vorgänge, an Tod und Zerstörung, die der syrische Künstler auf die Leinwand bringt, ohne dabei zu einem Chronisten der Tragödie seiner Heimat zu werden. Abseits einer Tagesaktua­lität geht es um das Aufzeigen und auch um das Verstehen der Ambivalenz im menschlich­en Dasein: intelligen­tes Lebewesen und zugleich auch eine Bestie. Der menschlich­e Körper ist in der Kunst von Adel Dauood bedeutsam, nicht nur in seinem dunklen und schemenhaf­ten „Selbstport­rät“fühlt man sich an die Ästhetik des slowenisch-italienisc­hen Malers und Grafikers Zoran Mušič erinnert. Dauoods „Human Charcoal“-Serie fasst Leid durch expressive Figurenfra­gmente aus Kohle und Tinte zusammen.

Ausstellun­g: Adel Dauood, „Flut“, Greith-Haus, St. Ulrich in Greith, bis 6. September.

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BILD: SN/MARTIN BEHR Dreiäugige Fabelwesen aus der Fantasie von Adel Dauood.

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