Epsteins Opfer warten noch
Vor einem Jahr wurde der schwerreiche US-Unternehmer, dem zahlreiche Sexualverbrechen vorgeworfen wurden, tot in seiner Gefängniszelle gefunden. Wie es in dem Skandal weitergeht.
Es war eine denkwürdige Nacht im Metropolitan Correctional Center von New York: Zwei Mitarbeiter waren in dem Hochsicherheitsgefängnis damit beauftragt, jede halbe Stunde nach dem kurz zuvor festgenommenen USUnternehmer Jeffrey Epstein zu schauen, dem Sexualverbrechen vorgeworfen wurden. Das taten sie nicht. Tags darauf, am 10. August 2019, wurde Epstein tot in seiner Zelle aufgefunden.
Die US-Behörden gehen von einem Suizid des 66-Jährigen aus, auch wenn immer neue Verschwörungstheorien auftauchen. Für Epsteins Opfer und für die Staatsanwaltschaft bedeutete der Tod des Angeklagten zwar einen herben Rückschlag – das Ende des Skandals rund um den schwerreichen Finanzier ist das aber noch lang nicht. Schon damals hatte US-Justizminister William Barr angekündigt: „Die Opfer verdienen Gerechtigkeit und sie werden sie bekommen.“
Dutzende minderjährige Mädchen soll Epstein missbraucht und einen Missbrauchsring aufgebaut haben. Der Ex-Investmentbanker wurde zum Symbol einer wohlhabenden Elite, die mit allem durchkommt. Schon 2008 hatte er in Florida vor Gericht gestanden.
Doch obwohl 24 Mädchen Vorwürfe gegen ihn erhoben, kam Epstein durch einen Deal mit einer Haftstrafe davon, die viele für einen Skandal hielten. Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er wieder frei – und es zog ihn zurück ins Rampenlicht.
Zu seinen prominentesten Bekannten gehörten der britische Prinz Andrew sowie der frühere USPräsident Bill Clinton und der jetzige, Donald Trump. Epstein flog mit seinem Jet umher, nach Florida in seine Villa in Palm Beach und auf seine private Karibikinsel Little St. James. Seine Boeing 727 bekam den Spitznamen „Lolita Express“, Little St. James wurde „Insel der Pädophilen“genannt. Die Generalstaatsanwaltschaft der amerikanischen Jungferninseln geht davon aus, dass bis mindestens 2018 auf der Insel Mädchen und junge Frauen missbraucht wurden. Oft soll Epsteins Freundin Ghislaine Maxwell mit dabei gewesen sein – und sie steht nun im Fokus der Ermittlungen.
Anfang Juli wurde sie im US-Bundesstaat New Hampshire festgenommen und der Beihilfe zu Epsteins Machenschaften angeklagt. Maxwell wies die Vorwürfe zurück, muss aber bis zum Prozessbeginn, der vorläufig auf Juli 2021 festgelegt wurde, in Haft bleiben. Die 58-Jährige stammt aus Großbritannien und ist das neunte Kind des Medienzaren Robert Maxwell und der französischstämmigen Holocaustforscherin Elisabeth Meynard. Geboren in Frankreich und aufgewachsen in der Nähe des englischen Oxford, übersiedelte die gut vernetzte Ghislaine Maxwell nach dem Tod ihres Vaters in die USA, wo sie Epstein auf einer Party kennenlernte. Anfangs waren sie für einige Jahre ein Liebespaar, später sprach er von seiner „besten Freundin“.
Mit Spannung erwartet wird nun, ob Maxwell auspackt. US-Präsident Trump gab jüngst frei heraus zu, dass er Maxwell „im Laufe der Jahre viele Male“getroffen habe. Pikant ist ein jetzt kursierendes Video mit einem Interview Trumps von 2015. Darin nennt er Epsteins Karibikinsel eine „Kloake“und fordert die Reporter auf, doch Prinz Andrew (60) dazu zu befragen. Der Royal – von der britischen Presse früher oft als „Randy Andy“(etwa: geiler Andy) und Partyprinz verspottet – hatte Epstein über Maxwell kennengelernt und soll in den Skandal verwickelt sein. Die Amerikanerin Virginia Roberts Giuffre behauptet, dass Andrew sie als Minderjährige mehrfach missbraucht habe. Ende Juli wurden zudem Gerichtsunterlagen einer Zivilklage Giuffres aus dem Jahr 2015 veröffentlicht. Darin beschuldigt sie Maxwell, ebenfalls mit minderjährigen Frauen Sex gehabt und sie für den Missbrauch gefügig gemacht zu haben.
Andrew wollte sich derweil mit einem BBC-Interview zur Wehr setzen, doch der 60-Jährige redete sich um Kopf und Kragen. Als Konsequenz gab der zweitälteste Sohn der Queen seine royalen Pflichten auf. Andrew behauptet, von den Machenschaften seines Freunds nichts mitbekommen zu haben. Dabei hatte er Epstein mehrmals auf dessen Anwesen besucht. Wie eng die Freundschaft zwischen dem Prinzen und Maxwell war, zeigt ein Foto, das der „Telegraph“veröffentlichte. Das Bild soll auf einer von Andrew organisierten Privattour im Buckingham-Palast entstanden sein. Darauf ist dem Blatt zufolge Maxwell zu sehen, wie sie neben Schauspieler Kevin Spacey sitzt – auf dem Thron der Queen.