Wonach riecht das Meer?
Die frische Seeluft wirkt auf viele Urlauber so anziehend wie ein Magnet. Doch das Salz im Wasser ist geruchlos.
HÜDE. Am Badestrand liegt ein besonderer Duft in der Luft. Es ist eine einzigartige Mischung aus frischer Meeresbrise, Sonnencreme und Erinnerungen. Diesen Geruch hat man schon in der Nase, lang bevor das Meer in Sichtweite kommt.
Doch auch ganz ohne Sonnenöl, Gummimatratzen und mitgebrachte Butterbrote verströmt das Meer einen speziellen Duft, der einen hohen Wiedererkennungseffekt hat. Es riecht so schön nach Meer. Da fragt sich natürlich: Was duftet da eigentlich so verführerisch? Das Salz in der Luft? Reines Kochsalz ist allerdings geruchlos. Ozon? Das hat einen stechenden Geruch nach Chlor. Die Fische im Wasser vielleicht? Eher weniger. Nein, es ist die ganz besondere Mischung, die es macht. Im Meerwasser befinden sich ganz unterschiedliche Inhaltsstoffe. Einige davon sind geruchlos, andere duften dafür umso mehr. Das als Kochsalz bekannte Natriumchlorid riecht tatsächlich nach gar nichts. Sogar Arsen ist in Spuren im Meerwasser enthalten, aber auch das ist geruchlos. Natürlich ist das noch nicht alles. Auch Chlor kommt im Meerwasser vor und sogar Jod. Beide sind für ihren stechenden Geruch bekannt. Fluoride sind ebenfalls enthalten sowie Magnesiumchlorid, Calciumchlorid, Bromide und Nitrate.
Im Meer ist aber noch mehr: Pflanzen und Tiere leben und sterben darin und hinterlassen im Wasser ihre Stoffwechselprodukte. Das muss gar nicht einmal übel riechen. Selbst die bei Parfümeuren so beliebte Ambra ist ja nichts anderes als ein Ausscheidungsprodukt des Pottwals, das manchmal über Jahrzehnte hinweg auf dem Wasser schwimmt und so seinen ganz eigenen Geruch entwickelt.
Es gibt aber einen Duftstoff, der wie kein anderer nach Meer riecht: die Schwefelverbindung Dimethylsulfid, kurz DMS. Das haben Wissenschafter herausgefunden. DMS entsteht, wenn Bakterien abgestorbenes Phytoplankton, aber auch größere Algen und Wasserpflanzen zersetzen. Kein Wunder also, dass es in höherer Konzentration gammelig, faulig riecht. Dutzende Millionen Tonnen dieses Gases gelangen so Jahr für Jahr über die Ozeane in die Atmosphäre und spielen dort eine Rolle bei der Wolkenbildung und somit für das weltweite Klima.
Die britischen Biologen um Andrew Johnston von der East Anglia Universität in Norwich haben sogar ein einzelnes Gen identifizieren können, das für die DMS-Produktion verantwortlich ist. „Ich wusste, dass wir das richtige Gen isoliert hatten, weil der Inkubator wie ein Strand roch. Als die Konzentration weiter stieg, stank es nach verrottendem Abfall“, sagt Andrew Johnston. Das Gen nennt sich übrigens ganz prosaisch: dddD.
Interessanterweise gibt es auch ein Gen, das die Meeresbakterien davon abhält, DMS zu produzieren. Das hat ein Team um die Mikrobiologin Mary Ann Moran von der Universität von Georgia in Athens, USA, herausgefunden. Das Gen nennt sich ebenso schlicht wie einfach: dmdA. „Wir wissen, dass Bakterien eine Schlüsselrolle im Kreislauf des marinen Schwefels spielen, aber die Entdeckung dieses Gens erlaubt uns, genauer zu verstehen, wie und wann die Bakterien diesen Prozess kontrollieren“, erklärt Mary Ann Moran.
Unterm Strich bleibt diesen Forschungen nach also die Erkenntnis, dass der verführerische Duft der Meere, den wir so sehr lieben, in erster Linie von Bakterien verursacht wird und nur in der richtigen Dosierung wirklich nach frischer Meeresbrise riecht.