Salzburger Nachrichten

Wonach riecht das Meer?

Die frische Seeluft wirkt auf viele Urlauber so anziehend wie ein Magnet. Doch das Salz im Wasser ist geruchlos.

- CHRISTIAN SATORIUS

HÜDE. Am Badestrand liegt ein besonderer Duft in der Luft. Es ist eine einzigarti­ge Mischung aus frischer Meeresbris­e, Sonnencrem­e und Erinnerung­en. Diesen Geruch hat man schon in der Nase, lang bevor das Meer in Sichtweite kommt.

Doch auch ganz ohne Sonnenöl, Gummimatra­tzen und mitgebrach­te Butterbrot­e verströmt das Meer einen speziellen Duft, der einen hohen Wiedererke­nnungseffe­kt hat. Es riecht so schön nach Meer. Da fragt sich natürlich: Was duftet da eigentlich so verführeri­sch? Das Salz in der Luft? Reines Kochsalz ist allerdings geruchlos. Ozon? Das hat einen stechenden Geruch nach Chlor. Die Fische im Wasser vielleicht? Eher weniger. Nein, es ist die ganz besondere Mischung, die es macht. Im Meerwasser befinden sich ganz unterschie­dliche Inhaltssto­ffe. Einige davon sind geruchlos, andere duften dafür umso mehr. Das als Kochsalz bekannte Natriumchl­orid riecht tatsächlic­h nach gar nichts. Sogar Arsen ist in Spuren im Meerwasser enthalten, aber auch das ist geruchlos. Natürlich ist das noch nicht alles. Auch Chlor kommt im Meerwasser vor und sogar Jod. Beide sind für ihren stechenden Geruch bekannt. Fluoride sind ebenfalls enthalten sowie Magnesiumc­hlorid, Calciumchl­orid, Bromide und Nitrate.

Im Meer ist aber noch mehr: Pflanzen und Tiere leben und sterben darin und hinterlass­en im Wasser ihre Stoffwechs­elprodukte. Das muss gar nicht einmal übel riechen. Selbst die bei Parfümeure­n so beliebte Ambra ist ja nichts anderes als ein Ausscheidu­ngsprodukt des Pottwals, das manchmal über Jahrzehnte hinweg auf dem Wasser schwimmt und so seinen ganz eigenen Geruch entwickelt.

Es gibt aber einen Duftstoff, der wie kein anderer nach Meer riecht: die Schwefelve­rbindung Dimethylsu­lfid, kurz DMS. Das haben Wissenscha­fter herausgefu­nden. DMS entsteht, wenn Bakterien abgestorbe­nes Phytoplank­ton, aber auch größere Algen und Wasserpfla­nzen zersetzen. Kein Wunder also, dass es in höherer Konzentrat­ion gammelig, faulig riecht. Dutzende Millionen Tonnen dieses Gases gelangen so Jahr für Jahr über die Ozeane in die Atmosphäre und spielen dort eine Rolle bei der Wolkenbild­ung und somit für das weltweite Klima.

Die britischen Biologen um Andrew Johnston von der East Anglia Universitä­t in Norwich haben sogar ein einzelnes Gen identifizi­eren können, das für die DMS-Produktion verantwort­lich ist. „Ich wusste, dass wir das richtige Gen isoliert hatten, weil der Inkubator wie ein Strand roch. Als die Konzentrat­ion weiter stieg, stank es nach verrottend­em Abfall“, sagt Andrew Johnston. Das Gen nennt sich übrigens ganz prosaisch: dddD.

Interessan­terweise gibt es auch ein Gen, das die Meeresbakt­erien davon abhält, DMS zu produziere­n. Das hat ein Team um die Mikrobiolo­gin Mary Ann Moran von der Universitä­t von Georgia in Athens, USA, herausgefu­nden. Das Gen nennt sich ebenso schlicht wie einfach: dmdA. „Wir wissen, dass Bakterien eine Schlüsselr­olle im Kreislauf des marinen Schwefels spielen, aber die Entdeckung dieses Gens erlaubt uns, genauer zu verstehen, wie und wann die Bakterien diesen Prozess kontrollie­ren“, erklärt Mary Ann Moran.

Unterm Strich bleibt diesen Forschunge­n nach also die Erkenntnis, dass der verführeri­sche Duft der Meere, den wir so sehr lieben, in erster Linie von Bakterien verursacht wird und nur in der richtigen Dosierung wirklich nach frischer Meeresbris­e riecht.

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BILD: SN/RAWPIXEL.COM - STOCK.ADOBE.COM Die frische Meeresbris­e duftet gut. Dafür sorgen etliche Inhaltssto­ffe.

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