Wunder der Natur oder Ärgernis?
Eine kleine Sensation sehen Botaniker in einem seltenen Moos, das im Pongau wächst. Die Ausweisung als Schutzgebiet sorgt aber auch für Murren.
UNTERTAUERN. Die kleine Gemeinde am Fuße der Radstädter Tauern bekommt in Bälde ein neues Naturschutzgebiet. Grund ist das Vorkommen einer seltenen Gattung namens „Rudolphs Trompetenmoos“(Tayloria rudolphiana).
Sonderlich glücklich darüber scheint man in Untertauern nicht zu sein. „Sie haben halt noch was gebraucht, um den EU-Vorgaben zu entsprechen“, sagt Bürgermeister Hans Habersatter (Liste Habersatter) trocken.
Gemeint ist das Land Salzburg, genauer die Naturschutzabteilung. Im Vorjahr wurden neue Natura-2000-Gebiete nominiert. Die endgültige Unterschutzstellung erfolgt Schritt für Schritt, am Mittwoch endete die Einspruchsfrist für die Hintergnadenalm in Untertauern.
Rudolphs Trompetenmoos ist eine Pflanze für botanische Feinspitze. Andreas Thomasser fällt in diese Kategorie. Er ist der zuständige Referent im Team von Landesrätin Maria Hutter (ÖVP). Aus Expertensicht sei das Vorkommen extrem spannend, schließlich wachse die wählerische Pflanze nur an ganz wenigen Orten in Europa. „Für Laien ist das Moos völlig uninteressant, sie werden es in Untertauern auch nicht finden.“
Das Trompetenmoos gedeiht ausschließlich in sauberer Höhenluft (1000 bis 1800 Meter über dem Meer), nur am feuchten Alpennordhang, auf altem Bergahorn in unberührter Natur und mit Vorliebe auf waagrechten Ästen. Außerdem müssen die Bäume einmal mit Tierkot von Greifvögeln oder einem Marder in Kontakt gekommen sein.
Eine solche Rarität wie das Trompetenmoos zu schützen und die Bedingungen zu schaffen, damit es noch lang wachsen könne, sei für das Land nicht optional, sondern verpflichtend, sagt Andreas Thomasser. „Wenn Pflanzen oder Tiere nur so punktuell vorkommen, dann gibt es keinen Handlungsspielraum, dann muss man sie schützen.“Das gebe die EU klar vor.
Für jene, die säumig sind, kann es teuer werden. Österreich war lange Zeit bei der Ausweisung von Natura-2000-Gebieten im Verzug – es lief ein Vertragsverletzungsverfahren, Strafzahlungen in Millionenhöhe standen im Raum. Die Gefahr wurde auf den letzten Abdruck gebannt, allein das Land Salzburg verkündete die Nominierung von sieben neuen Gebieten, die EU stimmte zu.
Ob schützenswerte Pflanzen und Tiere auf öffentlichen oder auf privatem Grund entdeckt werden, macht wenig Unterschied. Die Ausweisung von Naturschutzgebieten erfolgt durch Verordnung der Landesregierung. Die betroffenen Grundbesitzer werden zwar eingebunden, ein Vetorecht haben sie nicht.
Franz Schnell, Obmann der Agrargenossenschaft Hintergnadenalm: „Ausgesucht haben wir uns das nicht, aber wenn der Naturschutz etwas will, hat es wenig Sinn, sich zu wehren.“
Die vertraglichen Vorgaben würden ihn und die anderen Genossenschafter beträchtlich einschränken. Bestimmte Eingriffe in Naturschutzgebiete sind grundsätzlich verboten oder nur mit Bewilligung der Landesregierung zulässig. Auf den betroffenen 3,4 Hektar Fläche sei die Bewirtschaftung erschwert, sagt Schnell. Bauen könne man dort sowieso nichts mehr. „Und wenn wir einen Baum umschneiden, dann werden wir zu Verbrechern“, sagt Schnell. Dass man das unscheinbare Moos unbedingt schützen müsse, sehe er skeptisch.
Andreas Thomasser vom Land ist nicht zum ersten Mal mit Unverständnis konfrontiert: „Eigentlich ist der Naturschutz eine total positive Sache. Derzeit wird er oft verwendet, um etwas zu verhindern. Das tut dem Ganzen nicht gut.“Es seien Kampagnen in Planung, um das Image des Naturschutzes wieder aufzupolieren. „Eigentlich sollten wir stolz auf diese Gebiete sein.“
Mit den Grundbesitzern bemühe man sich um eine gute Basis, es werde stets frühzeitig Kontakt aufgenommen und nicht einfach drübergefahren. Rechtlich gesehen könne das Land auch ohne Rücksprache Gebiete nominieren. „Das machen wir aber nicht, unser Ziel ist, dass es die Grundbesitzer verstehen und im Idealfall stolz darauf sind.“Es gebe auch finanzielle Entschädigungen.
Als Frequenzbringer oder touristisches Argument will man die Natura-2000-Gebiete nicht verstanden wissen. Hintergnadenalm-Obmann Franz Schnell hofft sogar dezidiert, dass das Trompetenmoos keine zusätzlichen Leute anzieht. „Außerdem findet man die Pflanze eh nicht.“
Die weiteren neuen Europaschutzgebiete in Salzburg sind Bergmähwiesen in Unken (26 ha), Fels-Grimaldimoos in Golling, Firnisglänzendes Sichelmoos in Strobl, Sumpfgladiole in Grödig, Grünspitziger Streifenfarn in Mittersill und – das einzige Tier in der Liste – die zierliche Tellerschnecke (45 Hektar) in Seeham. Sie hat einen Durchmesser von höchstens fünf Millimetern und ist nicht einmal einen Millimeter „hoch“, lebt in Wassergräben in Uferbereichen, wo es auch Wasserlinsen und Ufergräser gibt. Die zierliche Tellerschnecke ist stark gefährdet.
Insgesamt gibt es 45 ausgewiesene Naturschutzgebiete im Land. Sie bedecken in Summe rund 200.000 Hektar.