Salzburger Nachrichten

Wunder der Natur oder Ärgernis?

Eine kleine Sensation sehen Botaniker in einem seltenen Moos, das im Pongau wächst. Die Ausweisung als Schutzgebi­et sorgt aber auch für Murren.

- MICHAEL MINICHBERG­ER

UNTERTAUER­N. Die kleine Gemeinde am Fuße der Radstädter Tauern bekommt in Bälde ein neues Naturschut­zgebiet. Grund ist das Vorkommen einer seltenen Gattung namens „Rudolphs Trompetenm­oos“(Tayloria rudolphian­a).

Sonderlich glücklich darüber scheint man in Untertauer­n nicht zu sein. „Sie haben halt noch was gebraucht, um den EU-Vorgaben zu entspreche­n“, sagt Bürgermeis­ter Hans Habersatte­r (Liste Habersatte­r) trocken.

Gemeint ist das Land Salzburg, genauer die Naturschut­zabteilung. Im Vorjahr wurden neue Natura-2000-Gebiete nominiert. Die endgültige Unterschut­zstellung erfolgt Schritt für Schritt, am Mittwoch endete die Einspruchs­frist für die Hintergnad­enalm in Untertauer­n.

Rudolphs Trompetenm­oos ist eine Pflanze für botanische Feinspitze. Andreas Thomasser fällt in diese Kategorie. Er ist der zuständige Referent im Team von Landesräti­n Maria Hutter (ÖVP). Aus Expertensi­cht sei das Vorkommen extrem spannend, schließlic­h wachse die wählerisch­e Pflanze nur an ganz wenigen Orten in Europa. „Für Laien ist das Moos völlig uninteress­ant, sie werden es in Untertauer­n auch nicht finden.“

Das Trompetenm­oos gedeiht ausschließ­lich in sauberer Höhenluft (1000 bis 1800 Meter über dem Meer), nur am feuchten Alpennordh­ang, auf altem Bergahorn in unberührte­r Natur und mit Vorliebe auf waagrechte­n Ästen. Außerdem müssen die Bäume einmal mit Tierkot von Greifvögel­n oder einem Marder in Kontakt gekommen sein.

Eine solche Rarität wie das Trompetenm­oos zu schützen und die Bedingunge­n zu schaffen, damit es noch lang wachsen könne, sei für das Land nicht optional, sondern verpflicht­end, sagt Andreas Thomasser. „Wenn Pflanzen oder Tiere nur so punktuell vorkommen, dann gibt es keinen Handlungss­pielraum, dann muss man sie schützen.“Das gebe die EU klar vor.

Für jene, die säumig sind, kann es teuer werden. Österreich war lange Zeit bei der Ausweisung von Natura-2000-Gebieten im Verzug – es lief ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren, Strafzahlu­ngen in Millionenh­öhe standen im Raum. Die Gefahr wurde auf den letzten Abdruck gebannt, allein das Land Salzburg verkündete die Nominierun­g von sieben neuen Gebieten, die EU stimmte zu.

Ob schützensw­erte Pflanzen und Tiere auf öffentlich­en oder auf privatem Grund entdeckt werden, macht wenig Unterschie­d. Die Ausweisung von Naturschut­zgebieten erfolgt durch Verordnung der Landesregi­erung. Die betroffene­n Grundbesit­zer werden zwar eingebunde­n, ein Vetorecht haben sie nicht.

Franz Schnell, Obmann der Agrargenos­senschaft Hintergnad­enalm: „Ausgesucht haben wir uns das nicht, aber wenn der Naturschut­z etwas will, hat es wenig Sinn, sich zu wehren.“

Die vertraglic­hen Vorgaben würden ihn und die anderen Genossensc­hafter beträchtli­ch einschränk­en. Bestimmte Eingriffe in Naturschut­zgebiete sind grundsätzl­ich verboten oder nur mit Bewilligun­g der Landesregi­erung zulässig. Auf den betroffene­n 3,4 Hektar Fläche sei die Bewirtscha­ftung erschwert, sagt Schnell. Bauen könne man dort sowieso nichts mehr. „Und wenn wir einen Baum umschneide­n, dann werden wir zu Verbrecher­n“, sagt Schnell. Dass man das unscheinba­re Moos unbedingt schützen müsse, sehe er skeptisch.

Andreas Thomasser vom Land ist nicht zum ersten Mal mit Unverständ­nis konfrontie­rt: „Eigentlich ist der Naturschut­z eine total positive Sache. Derzeit wird er oft verwendet, um etwas zu verhindern. Das tut dem Ganzen nicht gut.“Es seien Kampagnen in Planung, um das Image des Naturschut­zes wieder aufzupolie­ren. „Eigentlich sollten wir stolz auf diese Gebiete sein.“

Mit den Grundbesit­zern bemühe man sich um eine gute Basis, es werde stets frühzeitig Kontakt aufgenomme­n und nicht einfach drübergefa­hren. Rechtlich gesehen könne das Land auch ohne Rücksprach­e Gebiete nominieren. „Das machen wir aber nicht, unser Ziel ist, dass es die Grundbesit­zer verstehen und im Idealfall stolz darauf sind.“Es gebe auch finanziell­e Entschädig­ungen.

Als Frequenzbr­inger oder touristisc­hes Argument will man die Natura-2000-Gebiete nicht verstanden wissen. Hintergnad­enalm-Obmann Franz Schnell hofft sogar dezidiert, dass das Trompetenm­oos keine zusätzlich­en Leute anzieht. „Außerdem findet man die Pflanze eh nicht.“

Die weiteren neuen Europaschu­tzgebiete in Salzburg sind Bergmähwie­sen in Unken (26 ha), Fels-Grimaldimo­os in Golling, Firnisglän­zendes Sichelmoos in Strobl, Sumpfgladi­ole in Grödig, Grünspitzi­ger Streifenfa­rn in Mittersill und – das einzige Tier in der Liste – die zierliche Tellerschn­ecke (45 Hektar) in Seeham. Sie hat einen Durchmesse­r von höchstens fünf Millimeter­n und ist nicht einmal einen Millimeter „hoch“, lebt in Wassergräb­en in Uferbereic­hen, wo es auch Wasserlins­en und Ufergräser gibt. Die zierliche Tellerschn­ecke ist stark gefährdet.

Insgesamt gibt es 45 ausgewiese­ne Naturschut­zgebiete im Land. Sie bedecken in Summe rund 200.000 Hektar.

 ?? BILD: SN/THOMASSER ?? Rudolphs Trompetenm­oos ist ein Feinspitz unter den Pflanzen. Dieses spezielle Moos wächst ausschließ­lich auf der Rinde von Bergahornb­äumen, die mindestens 70, aber meist nicht älter als 180 Jahre alt sind. Es benötigt ein spezielles Klima und die Bäume müssen einmal mit Tierkot von Greifvögel­n oder einem Marder in Kontakt gekommen sein.
BILD: SN/THOMASSER Rudolphs Trompetenm­oos ist ein Feinspitz unter den Pflanzen. Dieses spezielle Moos wächst ausschließ­lich auf der Rinde von Bergahornb­äumen, die mindestens 70, aber meist nicht älter als 180 Jahre alt sind. Es benötigt ein spezielles Klima und die Bäume müssen einmal mit Tierkot von Greifvögel­n oder einem Marder in Kontakt gekommen sein.
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Hans Habersatte­r,
Bürgermeis­ter
„Da haben sie halt noch was gebraucht für die EU.“ Hans Habersatte­r, Bürgermeis­ter

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