Salzburger Nachrichten

Lukaschenk­o will sich mit Gewalt die Macht sichern

Die Opposition in Belarus akzeptiert Lukaschenk­os Wahlsieg nicht. Das offizielle Ergebnis sei „fern jeder Realität“, sagt seine Gegenkandi­datin Swetlana Tichanowsk­aja. Die Proteste gehen weiter.

- BILD: SN/AP

Mit den größten Protesten seit 1990 und vielen Verletzten endete die Präsidente­nwahl in Belarus. Präsident Alexander Lukaschenk­o, der sich zum Sieger erklärte, hatte schon im Vorfeld mit Blutvergie­ßen gedroht, sollte es zur Auflehnung gegen das Ergebnis kommen. „Wer mir nicht geglaubt hat, der glaubt es vielleicht jetzt“, sagte er am Montag nach einer Nacht mit blutigen Protesten und versichert allen, die weiter demonstrie­ren: „Wir geben das Land nicht her.“Die Aktivisten riefen trotzdem zu weiteren Kundgebung­en auf.

Blutüberst­römte Gesichter. Verrenkte Gliedmaßen. Wie leblos daliegende Körper. Und mittendrin: Schwer bewaffnete Polizisten der Sondereinh­eit Omon, die mit Schlagstöc­ken auf Menschen einprügeln. Die Bilder aus der „Blutnacht von Minsk“verbreitet­en sich am Tag nach der umstritten­en Präsidente­nwahl in Belarus rasant. Obwohl die Behörden Nachrichte­nkanäle kappten und Internetse­iten blockierte­n. Fast genauso schnell gaben Aktivisten die Parole aus: „Fortsetzun­g folgt“. Sie wollen wiederkomm­en und den Diktator aus dem Amt jagen.

Am Montag nach der Wahl blickten viele Menschen in Belarus deshalb gebannt auf das, was da wohl noch kommen möge. Nur eines interessie­rte kaum jemanden: das offizielle Wahlergebn­is. 80,2 Prozent für Präsident Alexander Lukaschenk­o, der Belarus seit 1994 mit diktatoris­chen Mitteln regiert. So oder so ähnlich haben das ohnehin alle erwartet. „Ein vom Regime bestelltes, gefälschte­s Ergebnis“, sagten Vertreter der Opposition und behauptete­n, in Wirklichke­it habe ihre Kandidatin klar gewonnen. „72 Prozent für Swetlana Tichanowsk­aja“, meldete die Menschenre­chtsorgani­sation Charta 97 unter Berufung auf eigene Nachwahlbe­fragungen. Die Opposition­skandidati­n selbst hatte sich nach der Veröffentl­ichung erster Prognosen zu Wort gemeldet. „Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe, und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht“, sagte sie.

Eine unabhängig­e Bestätigun­g gibt es weder für das eine noch für das andere Resultat. Lukaschenk­o hat diesmal keine neutralen Beobachter ins Land gelassen. Tichanowsk­aja ließ deshalb wissen: „Es kann keine Anerkennun­g eines solchen Ergebnisse­s geben.“80 Prozent für Lukaschenk­o und 9,9 Prozent für sie, wie offiziell verkündet, seien „fern jeder Realität“. Wo sich die 37-Jährige zu diesem Zeitpunkt aufhält, ist unklar. Sie hat ihre vom Militär umstellte Wohnung verlassen und ist im Raum Minsk untergetau­cht. Die beiden Kinder hat sie schon vorher in ein sicheres EULand geschickt. Ihr Mann Sergej sitzt seit dem Frühjahr in Haft.

In der Wahlnacht erlebte Belarus die heftigsten Proteste seit 1990.

Schätzunge­n gehen von rund hunderttau­send Menschen in allen Landesteil­en aus, die ihren Unmut über das mutmaßlich gefälschte Ergebnis auf die Straßen trugen. Sie zogen durch die Städte und riefen den Polizisten zu: „Werft die Schilde weg!“

Doch Überläufer gab es nicht. Die Staatsmach­t war auf alles vorbereite­t. Im Einsatz waren vor allem regimetreu­e Männer. Als die Menge der Protestier­enden immer weiter anschwoll, setzten sie Wasserwerf­er, Tränengas und Gummigesch­osse ein. Aber auch die Regimegegn­er waren teilweise gewaltbere­it, obwohl Tichanowsk­aja zum „bedingungs­los friedliche­n“Protest rief.

Es gibt viele Dutzend Verletzte und nach Angaben aus Opposition­skreisen einen Toten. Der Mann sei von einem Omon-Transporte­r überrollt worden. Das Innenminis­terium widersprac­h und vermeldete 25 verletzte Polizisten sowie rund 3000 Festnahmen.

Lukaschenk­o nannte das Vorgehen am Montag „eine angemessen­e Reaktion“. Er werde nicht zulassen, dass das Land zerbreche. „Ich habe euch vorher gewarnt, dass es bei uns keinen Maidan geben wird“, erklärte er unter Verweis auf die Proteste in der Ukraine von 2014.

Verlassen kann sich Lukaschenk­o dabei weiter auf die Unterstütz­ung aus Russland. Kremlchef Wladimir Putin gehört zu den ersten Gratulante­n. Die EU verurteilt den Gewalteins­atz scharf.

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BILD: SN/AFP Swetlana Tichanowsk­aja trat am Montag vor die Presse.

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