Geldflut soll Firmen über Wasser halten
Kaum ein anderes EU-Land hat gemessen an der Wirtschaftsleistung ein so großes Coronahilfspaket geschnürt wie Österreich. Angekommen ist davon ein Bruchteil, jetzt sollen Steuererlässe Liquidität schaffen.
24 Milliarden Euro sind Firmen bereits zugesagt, jetzt kommen Steuererlässe dazu. Für viele Firmen geht es ums Überleben im Herbst.
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von knapp 400 Mrd. Euro hat kaum ein anderes Land so viel Geld zur Stützung der unter den Folgen der Coronapandemie leidenden Wirtschaft zur Verfügung gestellt wie Österreich. 50 Mrd. Euro stehen insgesamt bereit, womit das Budgetdefizit voraussichtlich auf rund zehn Prozent klettern wird. 24 Mrd. Euro wurden bisher „rechtlich verbindlich“zugesagt, tatsächlich geflossen ist ein Bruchteil. Ziel seien die Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen, die Entlastung der Menschen und die Ankurbelung der Wirtschaft, sagte Finanzminister Gernot Blümel am Montag.
Vorerst geht es für viele Firmen aber nach wie vor ums Überleben im Herbst. Die zunächst bis 1. Oktober gewährte Stundung von Einkommensund Körperschaftssteuer wurde bis Mitte Jänner 2021 verlängert, um keine Insolvenzwelle auszulösen. Der Verlustrücktrag, den Blümel am Montag auf den Weg gebracht hat, wird vielen Firmen die Steuerzahlung ganz ersparen. Zugleich wird der Fixkostenzuschuss verlängert und verbreitert.
Damit soll nach wie vor lahmgelegten Branchen wie der Stadthotellerie, der Nachtgastronomie oder
Eventveranstaltern über die nächsten Monate das Überleben gesichert werden. Wirtschaftsforscher halten das für einen gewissen Zeitraum auch für vertretbar. „Es ist gescheiter und günstiger, für ein halbes Jahr bestimmte Unternehmen zu stützen, als das Wegbrechen einer ganzen Branche zu riskieren“, sagt Jürgen Janger vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Sollte die Krise länger dauern, müsse man aber „neu nachdenken“.
Fixkostenzuschuss II
Bisher konnten Firmen, die mehr als 40 Prozent Umsatzrückgang hatten, um eine Erstattung von Fixkosten wie Miete, unverkäuflicher Saisonware oder fiktivem Unternehmerlohn ansuchen. Die Erstattung gab es für maximal drei Monate, sie war gestaffelt – je nachdem, wie hoch die Ausfälle waren – und konnte bis zu 90 Mill. Euro gehen. Wifo und Co. sahen hier einen Anreiz zur Umsatzminderung.
Das wird jetzt repariert: Die Erstattung gibt es künftig bereits ab 30 Prozent Umsatzentfall und für bis zu sechs Monate. Erstattet wird im gleichen Ausmaß wie der Ausfall (bis zu 100 Prozent), außerdem werden auch Posten wie Wiederanlaufkosten oder Abschreibungen einbezogen. Der Zuschuss wird mit fünf Mill. Euro pro Unternehmen begrenzt. Die entsprechende Verordnung ist am Montag in Begutachtung gegangen, Anträge können voraussichtlich ab Mitte September gestellt werden.
In Summe sind zwölf Mrd. Euro an Fixkostenzuschüssen im CovidHilfspaket vorgesehen. Anders als (staatlich garantierte) Überbrückungskredite müssten diese nicht zurückgezahlt werden und stärkten daher die Eigenkapitalsituation der Firmen, sagt Bernd Winter von der Steuerberatungskanzlei BDO. Bisher wurden nur knapp 90 Mill. Euro abgerufen. Vor allem kleine Unternehmen suchen an, mittelgroße warten oft ab. Allein die BDO hat Anträge mit einem Volumen von 100 Mill. Euro in der Pipeline.
Verlustrücktrag
Das Steuerrecht kennt bis dato Verlustvorträge. Dass ein Unternehmen einen absehbaren Verlust auf die Gewinne des Vorjahres anrechnen kann, ist neu. Konkret wird in der Bilanz 2019 (bzw. 2018) mit oft hohen Gewinnen eine Art Coronarückstellung gebildet. Abgesetzt werden können bis 30 Prozent des Gewinns, mit einer Verlustprognose
sogar 60 Prozent und auch, wenn bereits veranlagt wurde. Das Finanzministerium erwartet, dass von rund 6,4 Mrd. Euro gestundeten Steuern fünf Mrd. Euro nicht bezahlt werden müssen. Ein genereller Steuererlass wäre laut Blümel nicht sinnvoll.
Haftungen
Ein Teil der Hilfen sind staatlich garantierte Überbrückungskredite. Bis vorige Woche hat die staatliche Corona-Finanzierungsagentur COFAG knapp 22.000 Anträge von Unternehmen auf Kreditgarantien genehmigt. Sie haftet mit 3,9 Mrd. Euro für ein Kreditvolumen von 4,34 Mrd. Euro. Dass auch Unternehmen die geförderten Kredite nutzen, die sie nicht brauchen, hält BDO-Experte Winter für unwahrscheinlich. Die Anträge würden mehrfach geprüft, um die korrekte Mittelverwendung sicherzustellen. Im ersten Schock sei der Liquiditätsbedarf aber oft höher eingeschätzt worden. Insgesamt ist der Coronahilfsfonds mit 15 Mrd. Euro dotiert.
Investitionsanreiz
Seit Montag ist klar, unter welchen Bedingungen Firmen, die investieren wollen und können, die geplante Investitionsprämie von sieben bzw. 14 Prozent bekommen. Kosten wird das nach früheren Angaben rund eine Mrd. Euro. Als weiterer Investitionsanreiz dient die degressive Abschreibung, die ähnlich hohe Anlaufkosten verursacht. Mittelfristig hält das Finanzministerium die Maßnahme aber für kostenneutral.
Härtefallfonds
Aus dem mit zwei Mrd. Euro gefüllten Härtefallfonds für Klein- und Kleinstunternehmer sind bisher 446 Mill. Euro ausbezahlt worden. Im Durchschnitt hätten 188.400 Personen 2368 Euro erhalten, heißt es aus der Wirtschaftskammer. 97,5 Prozent der Anträge seien erledigt.
SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter hat am Montag erneut die Ankündigungspolitik der Regierung kritisiert. „Wir stehen Monate nach dem Lockdown vor der Situation, dass bisher weniger als ein Drittel der Kurzarbeit ausbezahlt, weniger als ein Fünftel des Härtefallfonds und gerade einmal ein Prozent der Coronasoforthilfe für Unternehmen ausbezahlt wurden.“Solle es so weitergehen, trage der Finanzminister Mitverantwortung, wenn es im Herbst zu einer Pleitewelle komme.