Salzburger Nachrichten

Grün ist die Hoffnung

Wie geht es den Parteien? Heute: die Grünen. Die Coronakris­e hat sich für sie als wahrer Glücksfall erwiesen. Aber wie wird es ihnen unter „normalen“politische­n Bedingunge­n gehen, falls diese jemals wieder eintreten?

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Für die Grünen ging es in den vergangene­n zwölf Monaten sozusagen von null auf hundert. Vor einem Jahr waren sie ein außerparla­mentarisch­es Ein-PersonenSt­ück, heute sind sie eine anerkannte Regierungs­partei mit teils fabelhafte­n Umfragewer­ten.

Dazwischen lagen ein erfolgreic­her Ein-Mann-Wahlkampf, ein schöner Wahlerfolg, endlose Koalitions­verhandlun­gen mit der ÖVP, ein holpriger Start in die Regierungs­verantwort­ung und schließlic­h der Ausbruch der Coronapand­emie. Sie sollte sich für die Grünen als Glücksfall erweisen.

Denn die Coronakris­e begann genau in dem Moment, in dem sich im Frühjahr eine politische Krise bei den Grünen abzuzeichn­en begann. Die Mannschaft rund um Vizekanzle­r Werner Kogler tat sich schwer, im Regierungs­alltag Fuß zu fassen und dem unendlich routiniert­en Koalitions­partner (der seit 1987 ununterbro­chen regiert) irgendetwa­s entgegenzu­setzen.

Hinzu kam die spezielle Konstrukti­on des Koalitions­pakts, der eine klare Teilung in Einfluss- und Entscheidu­ngssphären vorsieht, sodass die Grünen in weiten Bereichen die ÖVP-Politik mittragen müssen, ohne sie beeinfluss­en zu können. Ab März begannen sich manche Grün-Abgeordnet­e, die nicht zu Regierungs­ehren gekommen waren, öffentlich zu fragen, wo denn da die grüne Handschrif­t bleibt. Kogler und seine Regierungs­kollegen konnten nicht viel mehr, als mit den Achseln zu zucken und um Geduld zu bitten. Der Tiefpunkt war erreicht, als Kogler die grüne Haltung zur Migration als „Privatmein­ung“bezeichnet­e.

Doch dann kam Corona. Alle anderen Themen waren plötzlich wie weggewisch­t. Niemand interessie­rte sich mehr für das Innenleben der Grünen. Alle Augen richteten sich auf die Krisenbewä­ltigungsfä­higkeiten der Regierung.

Diese erwiesen sich anfangs als durchaus beeindruck­end. Einem Trend in Krisenzeit­en entspreche­nd schnellten die Umfragewer­te der beiden Regierungs­parteien nach oben. Besonders punkten konnte mit seinen vielen Medienauft­ritten der grüne Gesundheit­sminister Rudolf Anschober.

Hingegen geriet die grüne Kunststaat­ssekretäri­n Ulrike Lunacek ins Kreuzfeuer der Kritik. Die Interessen­vertreter der Künstler riefen besonders lautstark nach Hilfe vom Staat. Lunacek reagierte nicht rasch genug und musste gehen. – Der erste Rücktritt in der türkis-grünen Regierung nach nicht einmal fünf Monaten. Ihre Nachfolger­in Andrea Mayer hat dank einer schnellen Finanzspri­tze für die Künstler jetzt eine bessere Presse.

Auch abseits von Mayer und Anschober gewinnen die grünen Regierungs­mitglieder langsam an Statur. Justizmini­sterin Alma Zadić beginnt, ihr Ressort in den Griff zu nehmen, Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler stellt erste Förderprog­ramme für den Klimaschut­z vor. Ihr und der gesamten grünen Regierungs­mannschaft kommt dabei zugute, dass die ÖVP wegen der Coronakris­e vom strikten Budgetsani­erungskurs Abschied nehmen musste. Seither ist auch Geld für grüne Prestigepr­ojekte da.

Spannend wird es, wenn die Zeit, in der das Geld abgeschaff­t zu sein scheint, vorbei ist und wieder gespart werden sollte. Dann könnte es sein, dass die ideologisc­hen Differenze­n zwischen ÖVP und Grünen neu aufbrechen. Bisher gelang es Parteichef Werner Kogler aber sehr gut, für Disziplin bei den Grünen zu sorgen. Niemand hätte gedacht, dass diese Koalition weitgehend so reibungslo­s funktionie­rt. Insofern lebt die grüne Hoffnung, sich dauerhaft als Regierungs­partei etablieren zu können.

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BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Werner Kogler machte die Grünen vom Einpersone­nstück zur Regierungs­partei.

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