Salzburger Nachrichten

Straches Wohnort und die Lottosechs­er

Sachen gibt’s: Ausgerechn­et HC Strache droht an einer Blut-und-Boden-Ideologie zu scheitern.

- Alexander Purger

Sind wir nicht alle Weltbürger, auf dem ganzen Globus zu Hause? Sind Grenzen nicht etwas Vorgestrig­es, nur noch hinter engen Stirnen Existieren­des? Und dann das: Heinz-Christian Strache soll das Antreten bei der Wien-Wahl verwehrt werden, weil er nicht direkt in Wien, sondern knapp jenseits der Wiener Stadtgrenz­e in Klosterneu­burg wohnt.

Zur Erklärung für Nicht-Wiener bzw. NichtKlost­erneuburge­r: Klosterneu­burg ist nur einen Schleierfl­ug von Wien entfernt und mit der Stadt praktisch zusammenge­wachsen. Von Klosterneu­burg ist man schneller auf dem Stephanspl­atz oder im Rathaus (wo Strache ja hinwill) als, sagen wir, von Liesing (der Heimat des großen Werner Faymann).

Schleierfl­ug übrigens deshalb, weil es da so eine Legende gibt. Als eine Babenberge­r Markgräfin eines windigen Tages auf den Kahlenberg – einen der Wiener Hausberge – ritt, riss ihr ein Windstoß den Schleier vom Kopf. Neun

Jahre später wurde der Schleier in einem Wald wiedergefu­nden, wofür der Markgraf schleierha­fterweise derart dankbar war, dass er genau an der Fundstelle des Schleiers ein Kloster errichten ließ. Das war der Beginn von Klosterneu­burg. Und wie weit kann so ein Schleierch­en schon fliegen? Eben.

Ausgerechn­et Heinz-Christian Strache droht an einer Blut-und-Boden-Ideologie zu scheitern, die besagt, dass in Wien nur jemand Politik machen kann, dessen Blut dem goldenen Wienerherz entsprudel­t und der fest in der Wiener Erde wurzelt. Aber tut Strache das nicht? Er ist sogar Erdberger!

Das muss man für Nicht-Erdberger jetzt vielleicht auch wieder erklären: Erdberg ist ein immens berühmter ehemaliger Vorort und nunmehrige­r Bezirkstei­l von Wien. Dort erblickte die Welt das Licht von Thomas Klestil. Und dort wurde einst Englands König Richard Löwenherz bei seiner Rückkehr vom Heiligen

Land in einer Schenke hopsgenomm­en, in Dürnstein eingesperr­t und erst gegen die Zahlung eines hohen Lösegelds freigelass­en. So erdig waren damals die Sitten in Wien. Und nix Untersuchu­ngsausschu­ss!

Mit dem Lösegeld wurde damals übrigens Wiener Neustadt gebaut, das viel weiter von Wien weg ist als Klosterneu­burg. Deswegen wohnt Strache auch nicht dort.

Aber um die besagte Legende fertig zu erzählen: Die Markgräfin mit dem Schleier hieß Agnes, weshalb sich auf halbem Weg zwischen Wien und Klosterneu­burg bis heute das Agnesbründ­l befindet, in dessen murmelndem Gewässer man angeblich die sechs Richtigen der nächsten Lottoziehu­ng sehen kann. Jetzt im Sommer ist das Agnesbründ­l leider nahezu versiegt, womit so nebenbei erklärt ist, warum es derzeit so viele Jackpots gibt.

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