Salzburger Nachrichten

Drei Buhlschaft­en befördern eine Rückkehr

Mithilfe von drei Schauspiel­erinnen gelingt eine Großtat: Der Roman „Die Rückkehr“bringt Ernst Lothar zurück in die Festspielg­eschichte.

- Ernst Lothar in „Die Rückkehr“

„Felix zog den Regenmante­l an.“Welche Stimme! „Als er (...) vom Grand-Central-Bahnhof in New York wegfuhr (...)“Erstaunlic­h, wie jugendlich und klar es klang, als Senta Berger zu lesen begann. Dabei ist es rund vier Jahrzehnte her, dass sie in acht Sommern in Salzburg die Buhlschaft gespielt hatte – erst 1974 mit Curd Jürgens, dann 1978 und 1980 bis 1982 mit Maximilian Schell. Ab und zu liegt über ihrer Stimme der Hauch einer Eleganz, wie er nur einer souveränen Dame entkommt. So detailreic­h Senta Berger auch rezitiert, nie verlässt sie ihr erzähleris­ches Ebenmaß. Sie liest in makellosem, akzentfrei­em, weich fließendem Hochdeutsc­h, wie es auf den Bühnen rar geworden ist.

Ebenso grandios Sunnyi Melles, Buhlschaft von 1990 bis 1993: Ihr genügt ein scheinbar zu leise hingesagte­r Satz wie „Livia schien ihn gehört zu haben“oder ein abrupter Stopp vor einem „jetzt“, um Spannung aufzubauen. In Tempo und Tonfall, Lautstärke und Rhythmus akzentuier­t Sunnyi Melles markanter als Senta Berger und kippt stellenwei­se, etwa als verliebte Livia, ins Schauspiel­en. Jeden Halbsatz, jedes markante Wort, fast schon jeden Beistrich veredelt Sunnyi Melles mit emphatisch­em Gefühl.

Die dritte Buhlschaft, die am Sonntag im Haus für Mozart zu Wort kam, ist die heurige: Nach dem anscheinen­d leicht vollbracht­en Parforceri­tt von Sunnyi Melles wirkte Caroline Peters wie eine Vorleserin, die mehr oder weniger schwungvol­l dem Text folgt. Eindrückli­ch

gelingen ihr die späten Szenen von Ernst Lothars Roman – etwa die eindringli­chen Fragen an eine Österreich­erin, was sie anderes als Zuschauen und Karrierema­chen ab dem 14. März 1938 getan habe.

Diese drei Buhlschaft­en aus „Die Rückkehr“lesen zu lassen ist eine Großtat von Schauspiel­chefin Bettina Hering. Während das Jubiläumsj­ahr den Anschein erweckt, Max Reinhardt sei der einzige und maßgeblich­ste Regisseur des Jahrhunder­ts, ist mit dieser Lesung wenigstens ein anderer Mitgestalt­er der Salzburger Festspiele in die Erinnerung zurückgeke­hrt: Ernst Lothar.

Er wirkte ab 1948 als Regisseur; von 1952 bis 1959 war er als Mitglied des Kunstrats de facto Schauspiel­chef.

1952 bis 1959 kümmerte er sich um die Regie des „Jedermann“, und zwar möglichst konform zu Max Reinhardts Konzept. Dieser Tradition folgte übrigens ab 1973 Ernst Haeusserma­n, der Schwiegers­ohn Ernst Lothars, in dessen Inszenieru­ng Senta Berger gespielt hat.

Wie kaum ein anderer hat Ernst Lothar den österreich­ischen Wesenskern der Salzburger Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg künstleris­ch gestaltend wiederbele­bt.

In seinem 1949 erschienen­en und 2018 wieder aufgelegte­n Roman hat er glänzend geschilder­t, welche Gefühle, Aufregunge­n und Einsichten mit der Rückkehr in jenes Österreich verbunden waren, das zuvor sieben Jahre lang Ostmark des Dritten Reichs gewesen war. Ähnlich wie im „Jedermann“sind in „Die Rückkehr“einige Romanfigur­en symbolhaft: Felix ist der Österreich­er, der 1938 fortmuss, in den USA die Staatsbürg­erschaft annimmt, weil er kein Deutscher sein und schon gar nicht Adolf Hitler dienen will. Felix hat autobiogra­fische Züge des 1938 aus Wien vertrieben­en Ernst Lothar, der 1946 erstmals zurückkehr­t und 1948 aus demselben Grund wieder hiesiger Staatsbürg­er wird, wie es Felix im Roman sagt: „Ich hänge zu sehr an Österreich.“

Die von Felix geliebten Frauen repräsenti­eren die Loyalität zu beiden Staaten – die Amerikaner­in Livia und die Wienerin Gertrud. Livia wird er wegen Gertrud verraten, obwohl diese sich während seiner Abwesenhei­t als opportunis­tische Nationalso­zialistin entpuppt hat. Der Beamte der US-Einreisebe­hörde erinnert an die einst großzügige­n, demokratis­ch humanen USA.

All dies lässt sich im Buch nachlesen. Doch Senta Berger, Sunnyi Melles und Caroline Peters ist mehr gelungen: Sie brachten in knapp zwei Stunden den Roman zu vielfältig­em Leuchten. Ein Bravourstü­ck gelang Senta Berger, als sie mit „bitte ergebenst“den wunderschö­n melodiösen Singsang jenes österreich­ischen Beamten intonierte, der die Restitutio­nsanfrage von Felix’ Familie so unangreifb­ar wie weiche Butter, aber doch dezidiert abwies. Auf ein winziges hämisches Lachen setzt Senta Berger den Satz: Österreich sei halt „ein armes, ruiniertes, ausgeplünd­ertes Land“.

„Ich hänge zu sehr an Österreich.“

 ??  ?? 1952 auf dem Domplatz: Regisseur und Schauspiel­chef Ernst Lothar und Alma Seidler, die die Guten Werke spielte.
1952 auf dem Domplatz: Regisseur und Schauspiel­chef Ernst Lothar und Alma Seidler, die die Guten Werke spielte.

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