Salzburger Nachrichten

Kelten stellten am Dürrnberg Goldbarren her

Keramikfor­men brachten die Archäologe­n auf die Spur. Die Goldpartik­el erzählen etwas über die weitreiche­nden Handelsver­bindungen.

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SALZBURG. Es ist nicht immer alles Gold, was glänzt. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Schimmernd­e Keramik hat Salzburger Archäologe­n eine neue Geschichte über die Kultur der frühen Bewohner Salzburgs erzählt.

Etwa 15 Kilometer südlich der Landeshaup­tstadt schmiegt sich Hallein, heute zweitgrößt­e Stadt im Land, an die Salzach. Im Westen erhebt sich der Dürrnberg mit seinen Kuppen und Hügeln 300 Meter über dem Zentrum des Tennengaus. Der Dürrnberg gehört zu den Salzlagers­tätten des Ostalpenra­ums. Wann dort Menschen begannen, die Salzvorkom­men zu nutzen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es gibt Einzelfund­e aus der Jungsteinz­eit, doch gesicherte Erkenntnis­se belegen erst für das sechste und fünfte Jahrhunder­t vor Christus die regelmäßig­e Erschließu­ng der Salzlager. Das war zu einer Zeit, als der Untertageb­au in Hallstatt schon die erste Hochphase hinter sich hatte. Auf dem Dürrnberg entstanden Konkurrenz­unternehme­n. Heute gelten beide Orte als einzigarti­ge archäologi­sche Fundstelle­n in Europa.

Funde, die im Salz über Jahrtausen­de hinweg konservier­t wurden, und solche, die in Gräberfeld­ern vom sechsten bis zum dritten Jahrhunder­t vor Christus auftauchte­n, zeigen eine Kultur mit technisch überaus geschickte­n Bergleuten, die es als Salzherren zu Wohlstand gebracht hatten und über weitreiche­nde Handelskon­takte in den Mittelmeer­raum und nach Norden verfügten. Das Salzzentru­m war eine Drehscheib­e für Luxusgüter wie Bernstein, Koralle, Metall- und Keramikgef­äße sowie für lokale und regionale Bodenschät­ze. Schmuck aus Gold, Bronze, Bernstein und Glas und meisterhaf­tes Kunsthandw­erk aus Eigenprodu­ktion zeugen davon. Zudem entdeckten die Forscher auf dem Dürrnberg griechisch­e Keramiken und Stücke aus den etruskisch­en Gebieten des heutigen Italiens.

Die kleine Keramikpla­tte, in die eine etwa einen Zentimeter breite Rille eingeschni­tten ist und die der Montanarch­äologe Thomas Stöllner in der Siedlung Ramsautal am Dürrnberg gefunden hatte, sah zunächst wenig spektakulä­r aus. Doch Archäologe­n sind es gewohnt, winzigste unauffälli­ge Spuren zu ergründen. Deshalb ging Holger Wendling ins Depot. Er ist wissenscha­ftlicher Leiter von Archäologi­e und Dürrnbergf­orschung am Keltenmuse­um in Hallein. „Ich habe dort noch mehrere Keramiksch­erben mit Rille gefunden und solche, die nach Gussformen aussahen. Nähere Untersuchu­ngen ergaben, dass sich darin Goldpartik­el befanden“, sagt er. Gießt man mit diesen Formen

Gold, so zeigen sich kleine, stäbchenfö­rmigen Barren mit einem viereckige­n Querschnit­t. Ein Barren entspricht etwa 20 bis 21 Gramm. „Das Gold könnte zum Tauschen genutzt worden sein, denn ein Münzsystem gab es damals noch nicht. Wie die Numismatik­erin Ursula Schachinge­r zeigen konnte, fing man erst um 300 vor Christus an, in der Region Münzen zu prägen“, erklärt Holger Wendling. Etwa 30 Dürrnberge­r Goldobjekt­e werden derzeit für das Projekt „Celtic Gold“am Curt-EngelhornZ­entrum für Archäometr­ie in Mannheim untersucht. Die Keramikfor­men mit den goldenen Partikeln gehören dazu. „Die Analyse läuft über Vergleiche mit Lagerstätt­en. Gold aus natürliche­n Vorkommen enthält auch Silber und Reste von Kupfer. Je nach Zusammense­tzung lässt sich sagen, woher es kommt“, sagt Holger Wendling. Das

Dürrnberge­r Gold der frühen Eisenzeit (600–450 vor Christus) unterschei­det sich teilweise deutlich von zeitgleich­en Edelmetall­funden aus westlichen Fundorten an Rhein, Neckar und Oberer Donau. Dorthin hatten die Dürrnberge­r vielfältig­e Kontakte. Auch das berühmte „Tauerngold“aus dem Gasteiner Tal kommt nicht infrage.

Goldanalys­en etwas jüngerer Objekte der Zeit um 400 vor Christus weisen auf eine Herkunft des Rohmateria­ls aus dem heutigen Böhmen hin. Eine Verbindung mit dem Salzhandel in dieser Region liegt nahe. „Ob das Gold hier legiert wurde, lässt sich nicht sagen. Doch die Formen sind ein weiteres Indiz, dass es am Dürrnberg eine Tradition für Goldbearbe­itung gab und Leute, die ihr Handwerk verstanden. Es ist ein bedeutsame­s Puzzleteil, das gut in die bisherigen Erkenntnis­se über die hiesige Kultur passt“, stellt Holger Wendling fest.

Zum Weiterlese­n: Über die ferne Zeit menschlich­er Besiedlung des Landes Salzburg hat Holger Wendling das detailreic­he und spannende Buch „Zeitsprüng­e/Ursprünge“(Verlag Salzburg Museum) geschriebe­n.

„Das Gold in Barrenform könnte zum Tauschen genutzt worden sein.“

Holger Wendling, Archäologe

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BILD: SN/KELTENMUSE­UM/R. POSCHACHER Diese goldenen Haarringe wurden in eine komplizier­te Frisur der Frauen eingefloch­ten. Sie stammen aus einem Grab vom Eislfeld auf dem Dürrnberg.
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BILDER: SN/WENDLING/SALZBURG MUSEUM, ARCHÄOLOGI­SCHE STAATSSAMM­LUNG MÜNCHEN Auf dem Dürrnberg verteilen sich Gräberarea­le und Siedlungen. Röntgenana­lyse und hochauflös­ende 3D-Mikroskopi­e zeigen die Form der Keramik und die Rinne.
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