Coronaimpfstoff heißt „Sputnik“
Die Zulassung erfolgte offenbar ohne Studie an Tausenden Probanden.
In Russland wird die Entwicklung des Impfstoffs gegen das Coronavirus damit verglichen, dass die Sowjetunion 1957 als erste Nation in den Weltraum vorgedrungen ist. Dementsprechend wurde der Name gewählt: Russland hat ihn auf den Namen „Sputnik V“getauft. Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin bekannt gegeben, dass Russland als erstes Land der Welt einen Impfstoff zugelassen habe. Russland hatte im Frühjahr eine klinische Studie mit dem Impfstoff „Gam-Covid-Vac Lyo“in einer internationalen Datenbank registriert. Details sind nicht bekannt, allerdings erfolgte die Zulassung offenbar noch ohne große Wirksamkeitsprüfung (Phase III) an Tausenden Probanden. Das Vakzin soll eine robuste Immunantwort hervorrufen. Als Nebenwirkung wird vor allem vorübergehendes Fieber genannt.
Der Chef des das Projekt finanzierenden russischen Staatsfonds, Kirill Dmitrijew, gab vor wenigen Tagen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“in einem Interview Auskunft: „Unser Impfstoff basiert auf zwei sogenannten Vektoren, modifizierten Viren, die das Genmaterial des Coronavirus in die menschliche Zelle bringen. In diesem Fall sind das Adenoviren, die eine sehr leichte Form der Grippe auslösen. Sehr vereinfacht ausgedrückt, funktionieren die Vektoren wie ein Zug, der Genmaterial des Coronavirus-Stachels (Spike- oder S-Protein an der Virusoberfläche, mit dem das Virus an Zellen andockt, Anm.) in die Zelle transportiert. Der Körper fängt dann an, diesen Stachel zu bekämpfen, und bildet Antikörper.“Aus dem Zitat geht allerdings nicht eindeutig hervor, auf welcher Basis das Vakzin funktionieren soll.
Die russischen Wissenschafter bauten offenbar auf bereits bestehende Impfstoff-Technologieplattformen auf. So sagte Dmitrijew: „Das Besondere ist, dass es sich um eine leicht veränderte Version zweier früher in Russland entwickelter Impfstoffe handelt: ein Impfstoff gegen das Ebolavirus, der schon zugelassen ist und den dasselbe Institut vor sechs Jahren entwickelt hat; das andere ein Impfstoff gegen das MERS-Virus.“
Der russische Coronaimpfstoff soll eine Besonderheit haben: Zwei im Abstand von 21 Tagen erfolgende Immunisierungen werden mit zwei unterschiedlichen Adenovirus-abgeleiteten
Vektoren durchgeführt. Damit will man vermeiden, dass sich das Immunsystem gegen die Vektoren selbst wendet und somit den Effekt der Immunisierung einschränkt.
Bisher wurde das Vakzin erst bei weniger als hundert Probanden erprobt. An sich ist es nicht völlig außerhalb der Norm, wenn Impfstoffe vorläufig nach Phase-I- und PhaseII-Studien (Immunogenität, Sicherheit) zugelassen werden. Aber das gilt nur für Vakzine, mit denen man schon lang Erfahrung gesammelt hat und die nur teilweise verändert worden sind, etwa saisonale Influenza-Vakzine.
Derzeit befinden sich Vakzine von Sinovac (China), der Universität Oxford (AstraZeneca) und Moderna (USA/RNA-Impfstoff) in der Phase III der klinischen Prüfung. Das Mainzer Biopharma-Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer wollen bei einem Erfolg der aktuellen klinischen Studie zu ihrem möglichen Coronaimpfstoff im Oktober den Antrag auf Marktzulassung stellen.