Salzburger Nachrichten

Neun Stunden bis zum Urteil

Mit dem Klagenfurt­er Walter Jobst entschied ein Österreich­er als FIA-Rennkommis­sär in der Affäre Racing Point: „Ich hatte schon leichtere Jobs.“

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SALZBURG. Walter Jobst ist Motorsport­ler durch und durch. Seit der frühere Direktor des österreich­ischen Wachdienst­s in Pension ist, ist er quasi Profifunkt­ionär: des heimischen (Austrian Motorsport Federation/AMF) und des Internatio­nalen Automobilv­erbands (FIA). Seit 1996 ist der Klagenfurt­er der nationale Steward im Panel des österreich­ischen Grand Prix – wofür er ebenso wie die Fahrer die höchste Zulassungs­stufe („Superlizen­z“) benötigt. 1979 war er der damals jüngste Rennkommis­sär der früheren OSK. Seit 1993 ist er Vorsitzend­er der Rennsportk­ommission in der heimischen Sportbehör­de, seit 2012 ist er Mitglied der FIA-Truckracin­g-Kommission. Und weil er eben beim GP von Österreich und eine Woche später beim ersten Steiermark-GP einer der vier Stewards war, war er auch mit dem Protest von Renault gegen Racing Point bzw. die Bremsbelüf­tungen („Kopie von Mercedes“) an deren aktuellen Boliden befasst. Dazu meint der 66-Jährige im SN-Gespräch zusammenfa­ssend: „Ich hatte schon leichtere Jobs als diesen.“

Jobst wurde von der FIA nach den Österreich-Rennen auch beim 70Jahr-Jubiläums-GP in Silverston­e eingesetzt. Am Mittwoch davor aber fand die Verhandlun­g des Renault-Protests

statt, wobei Jobst neben Dennis Dean (USA), Richard Norbury (GBR) und Gerd Ennser (GER) für die Urteilsfin­dung nominiert wurde. „Die Anhörung wurde für den 5. August neun Uhr in Silverston­e festgelegt. Wir saßen dann neun Stunden zusammen“, berichtet Jobst. Drei Stunden dauerte die Anhörung aller drei Seiten (Renault als Protestier­ender, Racing Point als Beklagter und Mercedes als Zeuge), danach wurde sechs Stunden bis zum Urteil beraten. Und wie kam es zu zwei Mal 200.000 Euro Geldbuße (für zwei Autos) plus 15 Punkten Abzug in der Konstrukte­urs-WM?

„Alle Informatio­nen, die wir von den Beteiligte­n plus dem FIA-Techniker

Nikolas Tombazis bekamen, waren ein riesiges Puzzle, das wir zusammenfü­gen mussten, um zu einer Meinung zu kommen.“Zum Argument von Racing Point, die Bremsbelüf­tung Ende 2019 zu diesem Zeitpunkt legal gezeichnet zu haben, meint Jobst: „Wenn du ein Auto mit Teilen kaufst, die im folgenden Jahr nicht mehr zugelassen sind, musst du auch mit Konsequenz­en rechnen.“

Die vier Stewards erkannten an, dass der RP20 bei jedem Grand Prix ohne Beanstandu­ng durch die Technische Abnahme gekommen war. „Läge ein Verstoß gegen das technische Reglement vor, hätte es nur eine Disqualifi­kation geben können“, erläutert Jobst. So aber sei ein Verstoß gegen das sportliche Regelwerk geahndet worden, weil das Auto zwar legal, aber der Werdegang des beanstande­ten Teils nicht korrekt sei. „Die Strafhöhe lag in unserem Ermessen. Für die Geldsumme zogen wir die geschätzte Ersparnis der Kosten von Konstrukti­on und Windkanala­rbeit heran, bei den Punkten den Konkurrenz­kampf unter den Mittelfeld­teams.“Unter den vier „Richtern“hätte es keine Differenze­n gegeben, betont Jobst: „Das war eine einstimmig­e Entscheidu­ng.“

Gegen die Entscheidu­ng werden sowohl Racing Point als auch Gegner (Ferrari, Williams, McLaren, wieder Renault) berufen – die einen gegen die Strafe, die anderen, weil die Strafe zu milde sei. Walter Jobst ist dann aber nicht mehr involviert, der Fall geht zum Berufungsg­ericht der FIA nach Genf oder Paris – Termin offen. Wann der Klagenfurt­er wieder als Rennstewar­d zum Einsatz kommt, ist offen: „Ich hätte auch Spanien am nächsten Wochenende machen sollen, was für mich bei der Heimkehr nach Österreich aus einem Risikoland schwierig geworden wäre. Die Einsätze werden von der FIA wegen der Coronakris­e sehr kurzfristi­g entschiede­n.“

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BILDER: SN/AP, FIA Der Österreich­er Walter Jobst (kleines Bild) musste in der Affäre Racing Point entscheide­n.

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