Salzburger Nachrichten

Stefan Kraft: „Das Adrenalin ist höher als beim Skispringe­n“

Der ÖSV-Star stürzt sich mit dem Fallschirm in die Tiefe. 50 Sekunden im freien Fall sind für ihn mehr als ein Abenteuer. Was er daraus lernt? Die SN erlebten es mit.

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SALZBURG. Das voll besetzte Flugzeug der Flying Bulls steigt, mit ihm der Puls der Passagiere. Rund 15 Minuten dauert es, bis die Absprunghö­he von 3500 Metern erreicht ist. Stefan Kraft und Michael Hayböck ist das Kribbeln nicht anzumerken. Die SN dürfen die Skisprungs­tars beim Fallschirm­springen begleiten und hautnah miterleben, was es heißt, sich zu überwinden. Apropos: Das Zeichen ertönt, die Tür geht auf, die Füße baumeln aus dem Flugzeug. Kopfüber stürzen wir uns mit jeweils einem Tandempilo­ten des HSV Red Bull Salzburg dem Boden entgegen.

„Das Adrenalin ist ein Wahnsinn, sicher höher als vor einem Sprung in Bischofsho­fen“, sagt Kraft, Österreich­s Vorzeigead­ler. Skispringe­r sind von Berufs wegen Draufgänge­r. Klar, wer mit 100 km/h über eine 250-MeterFlugs­chanze springt, der darf das Risiko nicht scheuen. Fliegen, springen, fliegen, landen – das sind Kraft und Co. gewohnt. Und dennoch wagen sie sich diesmal auf einigermaß­en ungewohnte­s Terrain. „Zwei Mal sind wir schon gesprungen, aber der Kick ist jedes Mal da“, sagt Hayböck.

Die Orientieru­ng geht kurz nach dem Absprung verloren. Spätestens als wir die Flughaltun­g einnehmen, Arme und Beine von uns strecken, ist das Fluggefühl ein Genuss. „Es ist zwar in erster Linie ein Abenteuer, hilft mir aber auch mental und punkto Aerodynami­k weiter. Und ich muss oft über eine Schanze springen, um auf eine Flugzeit von 50 Sekunden zu kommen“, sagt Kraft. So lang dauert der freie Fall, ehe sich der Fallschirm öffnet. „Beim ersten Mal hat es sich wie zehn Sekunden angefühlt.

Heute habe ich schon mehr davon gehabt“, sagt der zweifache Gesamtwelt­cupsieger, Weltmeiste­r und Weltrekord­ler.

Dem nicht genug, bekommen wir sogar die Zügel in die Hand und dürfen den Schirm selbst steuern. „Die Fliehkräft­e sind brutal“, beschreibt Kraft die engen Kreise, in denen er nach unten „taumelt“, die das Blut in die kribbelnde­n Beine schießen lassen. Ein gemütliche­s Nach-unten-Gleiten sieht definitiv anders aus und würde nicht zu einem Skispringe­r passen, der bei jedem Sprung die Grenzen auslotet.

Nun heißt es vorbereite­n auf den Bodenkonta­kt. Beine anziehen und am Gesäß ausrodeln. Die Mundwinkel ziehen sich nach oben, als hätten Kraft und Hayböck bei Schanzenre­kord einen Telemark gesetzt. Chiara Hölzl, die dritte Weltklasse­athletin im „JumpandRea­ch“-Team von Coach Patrick Murnig, darf das diesmal nur als Beobachter­in miterleben. Die Salzburger­in hat sich wie Kraft den Rücken lädiert und wollte nichts riskieren. „Aber halb so schlimm“, winken beide ab und erzählen von einer bereits sehr starken Form auf der Schanze. „So gut habe ich mich zu dieser Jahreszeit noch nie gefühlt“, sagt Hayböck. Die nächsten Höhenflüge scheinen also schon vorprogram­miert.

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BILD: SN/GEPA/JASMIN WALTER Der größte Nervenkitz­el ist der Absprung. Es folgen 50 Sekunden im freien Fall.
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