Im Herbst fehlen Tausende Lehrstellen
Jugendliche sind auf dem Arbeitsmarkt die Hauptverlierer in der Coronakrise.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist infolge der globalen Coronapandemie generell kritisch. Am schlimmsten trifft die Wirtschaftskrise allerdings jüngere Menschen – auch in Österreich. Sie waren oft die Ersten, denen gekündigt wurde. Ende Juli waren mehr als 63.000 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren arbeitslos gemeldet oder in Schulungen. Auch auf dem Lehrstellenmarkt fehlen im Herbst Tausende Plätze. Ende Juli suchten 11.600 Schulabgänger eine Lehrstelle, 30 Prozent mehr als vor einem Jahr. Ihnen gegenüber standen 6130 offene Lehrstellen, um rund 200 mehr als im Juli 2019. Im September wird die Lücke meist noch größer.
Die Arbeiterkammer hat am Mittwoch vor einer „Generation Corona“ gewarnt, die es zu verhindern gelte. Viele der arbeitslosen Jugendlichen hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung, sagte AK-Arbeitsmarktexpertin Silvia Hofbauer am Mittwoch und forderte rasche Hilfsmaßnahmen. Laut dem Arbeitsmarktservice hatten zuletzt 45 Prozent der arbeitslos gemeldeten Jugendlichen nur einen Pflichtschulabschluss.
Die türkis-grüne Regierung hat eine eigene Arbeitsgruppe für Jugendbeschäftigung eingerichtet, die vor drei Wochen gestartet ist. Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht. Im Arbeitsministerium wird unter anderem auf den Lehrlingsbonus verwiesen. Betriebe, die zwischen 16. März und 31. Oktober einen Lehrling neu einstellen, erhalten einen Bonus von 2000 Euro.
WIEN. Österreich galt bisher als Vorzeigeland bei der Jugendbeschäftigung. Doch Ende Juni hat auch hierzulande die Arbeitslosenquote der 15- bis 25-Jährigen coronabedingt fast die Zehn-Prozent-Marke erreicht, verglichen mit rund fünf Prozent vor Ausbruch der weltweiten Pandemie. 11.600 Jugendliche suchten vorigen Monat einen Lehrplatz, 6130 Lehrstellen waren offen. Das sei immer noch gut und Platz fünf unter den EU-Ländern, heißt es aus dem Arbeitsministerium. Außerdem habe vor drei Wochen erstmals die eigens eingerichtete interministerielle „Taskforce für Jugendbeschäftigung“getagt und arbeite weiter daran, Angebot und Nachfrage abzustimmen.
Aus Sicht der Arbeiterkammer (AK) ist das nicht genug. „Wenn nicht rasch Maßnahmen gesetzt werden, die den Jugendlichen ermöglichen, eine Ausbildung zu machen, werden sie es lebenslang schwerer haben“, sagte AK-Expertin Silvia Hofbauer am Mittwoch. Schon jetzt warteten beim AMS rund 28.000 unter 19-Jährige auf einen Job oder eine Lehrstelle. Im Herbst werde diese Zahl noch steigen. Denn viele Schulabgänger suchten jetzt noch auf eigene Faust, andere würden ihre zugesagten Plätze doch nicht bekommen. Sollte die befürchtete Insolvenzwelle kommen, werde die Lehrstellenund Jobsuche noch schwieriger
Daher werde es nicht reichen, Unternehmen mit Anreizen wie dem neuen Corona-Lehrlingsbonus (2000 Euro für einen zusätzlichen Lehrling, für Kleinbetriebe mehr) zu motivieren. Auch die überbetriebliche Lehrausbildung – eine Art Auffangbecken, bis Jugendliche eine Lehrstelle in einem Betrieb gefunden haben – müsse deutlich aufgestockt werden. Schätzungen gingen von einer notwendigen Verdoppelung des Angebots aus. 2019/20 wurden rund 6800 junge Menschen in den staatlichen Lehrwerkstätten ausgebildet. Ab September plant das Arbeitsmarktservice (AMS), die Kapazitäten um 30 Prozent auszubauen. Auch sollte die öffentliche Hand, wo möglich, mehr Lehrlinge aufnehmen, fordert Hofbauer.
Jugendliche kämpfen in Zeiten von Corona aber noch mit anderen Problemen. Sie sind – weil meist noch nicht lang in einem Unternehmen – oft die Ersten, die in der Krise gekündigt werden. Andere haben ihren Nebenjob verloren, mit dem sie bisher das Studium finanziert haben oder es tun wollten. Wieder andere wollten nach der Schule oder Lehre direkt in den Arbeitsmarkt. Kurzarbeit, Homeoffice und die generelle wirtschaftliche Unsicherheit machen es den Firmen schwer, Mitarbeiter aufzunehmen. Sogar Lehrlinge müssen nach der Ausbildung gehen. Dazu komme, dass anders als in der Finanzkrise jetzt alle Bereiche unter der Pandemie litten, sagt Wifo-Arbeitsmarktexpertin Julia Bock-Schappelwein. „Alle Einstiegsmärkte sind verstopft.“
Daher brauche es mehr Ausbildungsplätze und kurzfristige Alternativen, wenn etwa Studienplätze schon vergeben oder bestimmte Schulen schon voll seien. Die Herausforderung dabei: Das alles müsse in rund einem Monat gestemmt werden, denn es sei essenziell, dass die jungen Leute keine Narben in ihrer Erwerbsbiografie hätten.
Bildungsminister Heinz Faßmann hat bisher 8400 zusätzliche Ausbildungsplätze an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen versprochen und eine Aufwertung der polytechnischen Schulen. Die neue Taskforce werde unter anderem dafür sorgen, dass die Informationen über freie Schulplätze an die richtigen Adressaten gelangten, sagt ein Sprecher von Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Die geforderte Aufstockung von Lehrwerkstätten werde „bedarfsgerecht“erfolgen, weil es noch keine validen Prognosen für Herbst gebe.
„Unser Ziel ist, dass es diese Generation Corona nicht gibt“, betont AK-Referentin Hofbauer. Vor ernsten und lang anhaltenden Auswirkungen der Pandemie auf die junge Generation warnt mittlerweile auch die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Die Pandemie verschlechtere die Karriereaussichten junger Menschen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren sowie die Bildungschancen von Studenten, heißt es in einem aktuellen Bericht. Zugrunde liegt ihm eine Studie mit mehr als 12.000 Teilnehmern in 112 Ländern. Besonders stark sind demnach die Auswirkungen bei jungen Frauen und in ärmeren Ländern, wo sich die „digitale Kluft“besonders stark gezeigt habe.
„Unser Ziel ist, dass es diese Generation Corona nicht gibt.“
Silvia Hofbauer, Arbeiterkammer