Satire soll ungemütlich sein
Dürfen nur Juden Judenwitze machen? Sind Mohammed-Karikaturen blasphemisch? Darf man Hitler parodieren? Wenn vermeintliche Grenzen übertreten werden, läuft es wiederholt auf die Frage hinaus: Was darf Satire? „Alles“, hat Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky im Jahr 1919 im „Berliner Tageblatt“darauf geantwortet. Wie so oft gibt es aber kein Richtig oder Falsch, so einfach macht es uns die Kunst nämlich nicht. Tucholsky warnte zudem davor, das „Dargestellte mit dem Darstellenden“zu verwechseln.
Diese Diskussion entbrannte jüngst um Kabarettistin Lisa Eckhart: Hat sie antisemitische Witze gemacht oder den Antisemitismus bloßgestellt? Lisa Eckhart lotet die Grenzen der Geschmacklosigkeit nicht aus, sie trampelt sie nieder, und das mit Anmut. Genüsslich kostet sie die Provokationen aus, sorgt aber auch für Schenkelklopfer statt geistreicher Erkenntnis. Der Kunstgriff der Persiflage – die verspottende Nachahmung – bedarf keiner Gebrauchsanweisung. Es stellt sich jedoch die Frage, wie stilistisch gelungen Eckharts Satire ist, wenn jene klatschen und sich bestätigt fühlen, deren Vorurteile sie eigentlich entlarven möchte.
Wenn Provokation das einzige Mittel ist, mit dem sich eine Künstlerin durchzuschlagen versucht, ist ihr Ende eingeläutet. Das sollte aber nicht ein Mob jedweder Couleur entscheiden, vielmehr soll sich das Publikum aussuchen können, welche Kunst es sehen will. Letztlich gilt: Im Zweifel für die Freiheit. Satire darf und soll ungemütlich sein und das muss unsere Gesellschaft aushalten.
Man muss Lisa Eckhart weder sympathisch noch lustig finden. Aber ihr diskussionslos den Mund zu verbieten bedeutet nicht das Ende ihrer Bühnenkarriere, sondern das Ende der freien Kunst.