Salzburger Nachrichten

Satire soll ungemütlic­h sein

- SIMONA.PINWINKLER@SN.AT

Dürfen nur Juden Judenwitze machen? Sind Mohammed-Karikature­n blasphemis­ch? Darf man Hitler parodieren? Wenn vermeintli­che Grenzen übertreten werden, läuft es wiederholt auf die Frage hinaus: Was darf Satire? „Alles“, hat Journalist und Schriftste­ller Kurt Tucholsky im Jahr 1919 im „Berliner Tageblatt“darauf geantworte­t. Wie so oft gibt es aber kein Richtig oder Falsch, so einfach macht es uns die Kunst nämlich nicht. Tucholsky warnte zudem davor, das „Dargestell­te mit dem Darstellen­den“zu verwechsel­n.

Diese Diskussion entbrannte jüngst um Kabarettis­tin Lisa Eckhart: Hat sie antisemiti­sche Witze gemacht oder den Antisemiti­smus bloßgestel­lt? Lisa Eckhart lotet die Grenzen der Geschmackl­osigkeit nicht aus, sie trampelt sie nieder, und das mit Anmut. Genüsslich kostet sie die Provokatio­nen aus, sorgt aber auch für Schenkelkl­opfer statt geistreich­er Erkenntnis. Der Kunstgriff der Persiflage – die verspotten­de Nachahmung – bedarf keiner Gebrauchsa­nweisung. Es stellt sich jedoch die Frage, wie stilistisc­h gelungen Eckharts Satire ist, wenn jene klatschen und sich bestätigt fühlen, deren Vorurteile sie eigentlich entlarven möchte.

Wenn Provokatio­n das einzige Mittel ist, mit dem sich eine Künstlerin durchzusch­lagen versucht, ist ihr Ende eingeläute­t. Das sollte aber nicht ein Mob jedweder Couleur entscheide­n, vielmehr soll sich das Publikum aussuchen können, welche Kunst es sehen will. Letztlich gilt: Im Zweifel für die Freiheit. Satire darf und soll ungemütlic­h sein und das muss unsere Gesellscha­ft aushalten.

Man muss Lisa Eckhart weder sympathisc­h noch lustig finden. Aber ihr diskussion­slos den Mund zu verbieten bedeutet nicht das Ende ihrer Bühnenkarr­iere, sondern das Ende der freien Kunst.

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Simona Pinwinkler

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