Angeklagter zeigte Reue
Jener 26-Jährige, der im Oktober in Kitzbühel fünf Menschen getötet haben soll, bekannte sich schuldig. Das vorläufig nicht rechtskräftige Urteil der Geschworenen: Lebenslänglich.
Schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte und viele Tränen. Am Mittwoch musste sich jener 26-jährige Mann vor dem Innsbrucker Landesgericht verantworten, der am 6. Oktober in den frühen Morgenstunden seine ExFreundin (19), deren Bruder (23) und Eltern (51 und 59 Jahre) sowie einen Freund (24) der jungen Frau erschossen haben soll. Zahlreiche Kameras waren auf den Mann gerichtet, als er in Handschellen in den Verhandlungssaal geführt wurde.
Die Staatsanwältin sagte eingangs, Beweise seien unter anderem 16 abgefeuerte Patronen, die alle aus der Waffe des Angeklagten stammten. Zudem wurden Schmauchspuren bei ihm gesichert, an ihm seien Blutspuren der 19-Jährigen, ihres Bruders und des Freundes der jungen Frau gefunden worden. Laut Gerichtsmedizin war der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt alkoholisiert, der errechnete Durchschnittswert lag demnach bei 0,83 Promille.
Seine Verteidigerin sagte zu Beginn: Als Motiv hätten sich Medien rasch auf einen Mord aus Eifersucht festgelegt, doch die Tat sei „komplexer und vielschichtiger“. Er stamme aus gutbürgerlichen Verhältnissen, die Familie sei alteingesessen in Kitzbühel. Umso unverständlicher erscheine die Tat. Er sei in jener Nacht in einer emotionalen Ausnahmesituation gewesen. Zuvor habe er wochenlang gehofft, dass es mit der Beziehung zu der 19-Jährigen, die wenige Monate davor geendet habe, wieder etwas werden könnte. Es sei nicht reine Eifersucht gewesen. Die Familie seiner ExFreundin sei für ihn eine Zweitfamilie gewesen, er habe sich verraten und abgewiesen gefühlt.
Der Angeklagte und die 19-Jährige waren mehrere Jahre ein Paar. Sie war 14 Jahre alt, er 19, als sie zusammenkamen. Zu Beginn verlief die Beziehung für beide gut, doch die junge Frau wollte mehr ausgehen, möglicherweise auch andere Leute kennenlernen. Er sei ein anderes Naturell, sagte seine Verteidigerin, eher der häusliche Typ. Als die Beziehung für ihn überraschend geendet habe, sei das ein drastischer Einschnitt in seinem Leben gewesen. Die 19-Jährige dürfte sich länger mit dem Gedanken getragen haben, die Beziehung zu beenden.
Laut psychiatrischem Gutachten ist er ein einsamer junger Mann, der nie gelernt hat, emotionale Bedürfnisse zu artikulieren. Das sagte der Angeklagte dann auch später selbst: Er habe immer alles in sich hineingefressen. Laut Gutachten habe er auch den Wunsch nach Stabilität, nicht nur in Beziehungen. So habe er auch schon früh den Wunsch gehabt, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Der heute 26-jährige Angeklagte bekannte sich zu Prozessbeginn schuldig im Sinne der Anklage und war auch bereit, die Fragen der vorsitzenden Richterin wie auch der Staatsanwältin zu beantworten. Zwei Stunden dauerte seine Befragung. Lediglich zur Tat selbst wollte er sich nicht äußern. Er sagte aber aus, dass er nur bestimmte Bilder im Kopf habe und sich auch nicht erinnern könne, so viele Schüsse abgefeuert zu haben.
Er zeigte tiefe Reue. Während seiner Aussage brach er immer wieder in Tränen aus. Er habe sich verletzt gefühlt, nachdem ihn die Familie seiner Ex-Freundin nach Hause geschickt habe und ihr Bruder ihm auch noch gesagt habe, dass auch die Freundschaft mit ihm beendet sei. Zudem habe ihm die 19-Jährige gesagt, dass sie ihn zwei Mal betrogen habe. Er habe einen „Tunnelblick“bekommen und nicht ausgekonnt. Er könne sich die Tat selbst nicht erklären. „Ich denke jeden Tag daran“, sagte er. „Es tut mir unendlich leid, was passiert ist, das wollte ich nicht.“
Am Nachmittag präsentierte auch Adelheid Kastner die Ergebnisse ihres psychiatrischen Gutachtens. Demnach war der Angeklagte zur Tatzeit zurechnungsfähig. Er sei auch in der Lage gewesen, mehrere Schritte zu planen. „Die Diabeteserkrankung des Mannes und ein möglicher Überzucker spielten demnach ebenfalls keine Rolle. „Kein Überzucker dieser Welt führt dazu, dass man Menschen attackiert“, sagte die Gutachterin. „Er wusste, was er tat, und er hätte auch anders handeln können.“Der Angeklagte sei „völlig normal“. Es gebe „keine psychiatrische Diagnose, und das mag vielleicht für viele das Erschreckendste sein“.
Eine Trennung hätte er nur nach seinen Vorstellungen akzeptiert. Er hätte die ausführlichsten Gründe hören wollen. Die Beziehung zu der jungen Frau sei einer der stabilisierendsten Faktoren in seinem Leben gewesen. Dazu sei ihm dann mit dem angekündigten Ende der Freundschaft des Bruders sein gesamtes Beziehungsgeflecht weggebrochen. Das sei für den Angeklagten das i-Tüpfelchen gewesen. Kastner ging aber davon aus, dass der Angeklagte nicht noch einmal zu so einer Tat fähig wäre. Das einstimmige Urteil der Geschworenen: Lebenlänglich (nicht rechtskräftig).