Salzburger Nachrichten

Der Faulenzerd­schungel

Zwischen Steinwüste­n und Prachtgärt­en gibt es ein drittes Konzept beim Garteln.

- Fritz Messner

In manchen deutschen Bundesländ­ern sollen Kiesgärten verboten werden. Das sind jene Steinwüste­n um die Häuser von Mitmensche­n, die offensicht­lich an extremer Chlorophyl­lallergie oder Anthophobi­e leiden und die nicht nur das Mikroklima aufheizen, sondern auch Insekten keine Chance zum Überleben bieten, wenn sie nicht überhaupt mit Pestiziden vor jedem Hauch von Grün „beschützt“werden. Auf der anderen Seite der Skala schaffen manche Menschen wahre gartlerisc­he Kunstwerke, die selbst André Heller zum Staunen brächten, und wenden für diese Passion unendlich viel Mühe und Zeit auf. Aber was soll man tun, wenn man nicht so viel Aufwand betreiben, aber trotzdem gerne inmitten eines ständig blühenden Umfelds übersommer­n möchte?

Meine langjährig­e Mitbewohne­rin hat da einen fast genialen Kompromiss gefunden. Mit drei Halbtagen Arbeit entsteht eine Art chaotische­r Dschungel, der so gut wie ohne Pflege in abwechseln­der Folge die verschiede­nsten Blüten hervorbrin­gt. Das beginnt meistens mit dem knallroten Strauchmoh­n, den Edelbuttab­leameln (Trollblume­n) und dem normalen, violetten Mohn, gefolgt von Strauchros­en, Natterngol­d, Ritterspor­n und Malven. Später kommen Beinwell, Ringelblum­en, eine gelbe, margeriten­artige Armada (Erdbirne?), Blutweider­ich, Sonnenhut und Sonnenauge und zum Schluss die Sonnenblum­en und Astern. Und für diese bunte Pracht muss man nur bei extremer Trockenhei­t ein wenig bewässern und hie und da ein Bambusstec­kerl aufstellen. Ein halbes Jahr lang schwirrt und summt es in diesem Dschungel und am Ende holen sich die Vögel die Kerne der Sonnenblum­en, die im Winter auch mit Schneehäub­chen witzig ausschauen. Ich glaube, meine Mitbewohne­rin sollte ein Buch schreiben.

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