Salzburger Nachrichten

Furcht vor einer drohenden Reisewarnu­ng für Salzburg

Die Sperrstund­e in der Gastronomi­e wird ab Freitag in Salzburg, Tirol und Vorarlberg mit 22 Uhr festgesetz­t. Schuld daran sollen ausufernd Feiernde sein.

- ANDREAS KOLLER BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Wien und Innsbruck sind im Ausland bereits auf der „roten Liste“. Salzburg fürchtet nach steigenden Infektions­zahlen nun auch eine Reisewarnu­ng für die Landeshaup­tstadt oder das gesamte Bundesland – was in Hinblick auf die Wintersais­on verheerend für den Tourismus wäre. „Ich will, wenn es irgendwie geht, eine Reisewarnu­ng verhindern“, sagt Salzburgs Bürgermeis­ter Harald Preuner (ÖVP). Beunruhigt haben den Stadtchef vor allem die Bilder vom Wochenende, als Jugendlich­e am Rudolfskai ausgelasse­n feiern – ohne Maske oder Sicherheit­sabstand.

So wie in Tirol und Vorarlberg wird nun auch in Salzburg ab Freitag die Sperrstund­e für alle Lokale mit 22 Uhr festgesetz­t. Die Maßnahme ist vorerst auf drei Wochen befristet.

Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) betont: „Die aktuelle Entwicklun­g macht eine Vorverlegu­ng der Sperrstund­e zwingend notwendig, da eine der größten Verbreitun­gsgefahren auf ausufernde Feiern in Nachtlokal­en zurückzufü­hren ist. Kurzsichti­ge

Leichtsinn­igkeit bringt nicht nur eine ganze Branche unter Druck, sondern bedroht unser ganzes Land mit Reisewarnu­ngen und einem zweiten Lockdown.“

Die Vorverlegu­ng der Sperrstund­e ist für Barbetreib­er bitter. Die Angst vor einer Reisewarnu­ng aus dem Ausland scheint aber zu überwiegen.

Salzburg, Tirol und Vorarlberg setzen aus Sorge um ihren Wintertour­ismus einen drastische­n Schritt. In Absprache mit dem Kanzleramt und vorerst befristet auf drei Wochen ziehen die drei westlichen Bundesländ­er die Sperrstund­e für die gesamte Gastronomi­e von derzeit 1 Uhr auf 22 Uhr vor. „Es handelt sich gewiss um einen harten Eingriff. Er wird aber viel Wirkung entfalten“, sagte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz im SNGespräch.

Grund für die Maßnahme seien die hohen Coronainfe­ktionszahl­en, die den Tourismus gefährdete­n. Mit der 22-Uhr-Sperrstund­e wolle man die Ansteckung­sgefahr minimieren. Die Maßnahme ist wohl auch als Signal an jene Länder gedacht, deren Bürger traditione­ll ihren Winterurla­ub in Österreich verbringen. Und die, wie zuletzt die Niederland­e, nach und nach Reisewarnu­ngen für Österreich – oder zumindest für bestimmte Regionen Österreich­s – verhängen.

„Speziell für den Tourismus und den Handel wird die Lage immer dramatisch­er, hier geht es nun um die Rettung von Zehntausen­den Arbeitsplä­tzen“, argumentie­rte Kurz. Die Vorverlegu­ng der Sperrstund­e sei deshalb entscheide­nd für die Pandemiebe­kämpfung, „da besonders viele Infektione­n bei ausgelasse­nen Feiern und Festen auftreten“.

Während die drei westlichen Landeshaup­tleute in einer gemeinsame­n Aussendung die Maßnahme lobten, gibt es bei den Betroffene­n auch Widerstand. Franz Hörl, Österreich­s Seilbahnen­sprecher und Hotelier im Tiroler Zillertal, fürchtet mit der vorgezogen­en Sperrstund­e um die Gastfreund­lichkeit im Land. „Ich stelle mir Gäste beim Stanglwirt vor, die um 22 Uhr gerade ihr Abendessen beendet haben und dann den Löffel fallen lassen müssen“, schildert Hörl und meint: „Wir sind ja nicht im Kindergart­en.“Man sollte vielmehr darauf schauen, ab 23 Uhr Ausschweif­ungen in Diskotheke­n oder bei privaten Feiern in den Griff zu bekommen.

Die Hoteliers-Interessen­vertretung ÖHV fordert einen finanziell­en Ausgleich für die Vorverlegu­ng der Sperrstund­e. ÖHV-Präsidenti­n Michaela Reitterer sagte, um Betriebssc­hließungen aus Verzweiflu­ng zu verhindern, brauche das Gastgewerb­e rasch einen „Schutzschi­rm“. Von 12 Milliarden Euro für den Fixkostenz­uschuss seien bisher „noch keine 300 Millionen Euro ausbezahlt“worden. „Ein Bruchteil davon reicht, um die programmie­rten Einnahmena­usfälle zu kompensier­en. Das muss jetzt genauso rasch und unkomplizi­ert gehen wie die Vorverlegu­ng der Sperrstund­e“, sagte Reitterer.

Bundeskanz­ler Kurz äußerte am Dienstag die Hoffnung, dass „auch andere Bundesländ­er, insbesonde­re jene mit hohen Infektions­zahlen“, dem Beispiel von Salzburg, Tirol und Vorarlberg folgen. Das ist aber nicht der Fall. Wien, das ebenfalls vom drohenden Ausfall des Wintertour­ismus stark betroffen sei, werde

Niederländ­ische Warnung.

Die Sorge der heimischen Politik, dass die Coronapand­emie die bevorstehe­nde Wintersais­on verhageln könnte, erhielt am Dienstag neue Nahrung. Die niederländ­ische Regierung erließ eine Reisewarnu­ng für Wien und Innsbruck: Wer von diesen beiden Städten in die Niederland­e reist, muss ab sofort für zehn Tage in häusliche Quarantäne. Zwar sind die Flughäfen Wien und Innsbruck (den viele niederländ­ische Winterspor­tler ansteuern) ausdrückli­ch von dieser Regelung ausgenomme­n. Dennoch dürfte die Reisewarnu­ng für die Tiroler Landeshaup­tstadt die Bereitscha­ft der Niederländ­er, einen Winterurla­ub in Tirol zu buchen, nicht eben befeuern.

Innsbruck liegt an der Spitze. Innsbruck zählt schon seit Tagen zu den Gebieten mit den höchsten bei der Sperrstund­en-Vorverlegu­ng der drei westlichen Bundesländ­er nicht mitziehen, sagte Bürgermeis­ter Michael Ludwig am Rande einer Pressekonf­erenz. Diese Vorgangswe­ise sei auch mit Niederöste­rreich abgestimmt worden, betonte er. Ludwig kritisiert­e die „HüHott-Politik“, bei der bestehende Coronaviru­s-Neuinfekti­onen Österreich­s. Mit einem Siebentage­swert von 136,25 Infektione­n pro 100.000 Einwohner liegt die Tiroler Landeshaup­tstadt aktuell an der Spitze aller Bezirke Österreich­s, noch vor dem Bundesland Wien mit 113,73. Auch der Bezirk Landeck (85,7 Neuinfekti­onen) ist stark betroffen. In Vorarlberg liegt der Bezirk Dornbirn mit 92,3 Infektione­n an der Spitze. Salzburg steht vergleichs­weise gut da. Coronaspit­zenreiter unter den Bezirken ist der Pongau mit 55,8 Infektione­n. SalzburgSt­adt weist 46 Neuinfekti­onen auf.

Die Grenzen gehen zu. Auch andere Länder warnen ihre Bürger bereits ausdrückli­ch davor, nach Österreich zu reisen. In Belgien müssen Personen, die sich in den vergangene­n 14 Tagen in Wien aufgehalte­n haben, einen PCR-Test durchführe­n. Auch Dänemark setzte Österreich auf die „rote Liste“.

Maßnahmen ständig geändert würden. Dies sei für die Bevölkerun­g irritieren­d. Im Büro von Wiens Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker erfuhren die SN, dass sich Wien statt einer früheren Sperrstund­e eine Registrier­ungspflich­t für Gäste wünsche, wie sie etwa in Bayern besteht. „Damit könnte man rasches Con

Deutschlan­d beschränkt sich bei seinen Restriktio­nen auf Reisende aus Wien: Diese müssen einen negativen Coronatest vorweisen oder sich für zwei Wochen in Quarantäne begeben. Auch in der Schweiz gilt für Einreise aus Wien eine Quarantäne­pflicht.

Stornos bleiben nicht aus.

Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter „bedauerte“die Reisewarnu­ng der Niederland­e für Innsbruck. Die Leiterin der Marketinga­bteilung des Innsbruck Tourismusv­erbands (ITV), Esther Wilhelm, berichtete von ersten negativen Auswirkung­en. „Schon kurz nach der Ankündigun­g haben Hotels die ersten Stornos verkündet“, sagte sie der APA. Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger berichtete, dass bereits die deutsche Reisewarnu­ng vor Wien „sehr viele Urlauber“dazu gebracht habe, Reisen zu stornieren. tact-Tracing durchführe­n. Doch das ist im neuen Epidemiege­setz leider nicht vorgesehen“, bedauert ein Sprecher Hackers, der über die Maßnahme der drei westlichen Bundesländ­er übrigens, wie sein Büro betont, erst aus den Medien erfahren hat.

Auch aus den übrigen Bundesländ­ern verlautete, dass sie sich der Vorverlegu­ng der Sperrstund­e nicht anschließe­n werden. Dort dürfen die Gaststätte­n, wie es die sogenannte Covid-Lockerungs­verordnung vorsieht, zwischen 5 Uhr früh und 1 Uhr nachts geöffnet bleiben.

Unsicherhe­it besteht in der Gastronomi­e übrigens auch über die von der Regierung kommunizie­rte Regel, dass pro Tisch nur zehn Gäste (plus deren Kinder) erlaubt seien. Dies könnte so interpreti­ert werden, dass die Wirte größere Familienod­er Firmenfeie­rn auf mehrere Zehnertisc­he aufteilen können. Dem steht der Wortlaut der Verordnung entgegen, die nicht auf die Tischgröße, sondern auf die Gruppengrö­ße abzielt. Dort heißt es, der Wirt dürfe nur „Besuchergr­uppen einlassen, wenn diese aus maximal zehn Erwachsene­n zuzüglich ihrer minderjähr­igen Kinder“bestehen. Essen und trinken dürfen die Gäste nur im Sitzen an ihren Tischen (im Amtsdeutsc­h: Verabreich­ungsplätze­n), nicht aber an der Bar. Denn: Speisen und Getränke dürfen „nicht in unmittelba­rer Nähe der Ausgabeste­lle“genossen werden.

„Hü-Hott-Politik irritiert die Menschen.“

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Michael Ludwig, Bürgermeis­ter Wien

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