Mit dem Mops den Aufstand proben
Lässt sich mit einem Hund der Populismus der Welt vernichten? Die Protagonistinnen von Mercedes Spannagel versuchen es.
Lässt sich mit einem Hund der Populismus der Welt vernichten? Die Protagonistinnen von Mercedes Spannagels Romandebüt versuchen es.
WIEN, SALZBURG. Die rechtskonservative Bundespräsidentin Österreichs hat zwei Töchter und mittlerweile ihren neunten Windhund. Eine der Töchter, Luise, kauft sich einen Mops – quasi größtmögliche Opposition zum Hund der Mutter und zu deren politischer Gesinnung. Die Töchter versuchen zu rebellieren in einer recht bequemen Welt voller ewig gleicher Strukturen. Sie planen auch eine GuerillaKunstaktion. Darum in etwa geht es in „Das Palais muss brennen“. Die 25-jährige Mercedes Spannagel debütiert in diesem Roman mit schwarzem Humor, genauer Beobachtungsgabe und einer Sprache, die rasant und treffend ist. Sie stellt ihn am Samstag beim Literaturfest Salzburg vor. Spannagel wurde 1995 in Wien geboren und kam über Heidelberg und Salzburg wieder zurück in ihre Geburtsstadt, wo sie Maschinenbau studiert.
SN: Frau Spannagel, welche Beziehung haben Sie zu Hunden? Mercedes Spannagel: Die bewussteste Beziehung zu Hunden habe ich bisher immer in lateinamerikanischen Ländern gehabt, ich bin nicht tollwutgeimpft und habe immer Angst vor einem Biss.
SN: Ich frage, weil schon beim Text, mit dem Sie vor zwei
Jahren den „Wortlaut“-Bewerb von FM4 gewannen, ein Mops vorkam.
Vor dem Text gab’s schon einen Text mit Mops. Generell schreibe ich gerne über Tiere – so auch über Fische, Katzen, Pferde, weil sich durch ihre Beziehung zum Menschen beziehungsweise umgekehrt so viel über Menschen aussagen lässt. Außerdem haben sie immer Komikpotenzial.
SN: Der Titel damals, „Jo und ich bilden uns einen Hund ein und gehen mit ihm spazieren“, war durchaus als eine Anlehnung an Thomas Bernhard zu lesen. Sehen Sie sich in so einer Tradition, wenn es darum geht, die Gesellschaft literarisch zu zerlegen?
Ich habe nie was von Thomas Bernhard gelesen außer „Meine Preise“.
SN: Wieso wird der Mops denn zum größtmöglichen Gegensatz zu einem Windhund?
Ein Windhund kann viel schneller laufen.
SN: In Ihrem Buch treffen „linke“Kinder auf „rechte“Eltern.
Wie erleben Sie denn das, was im Moment so gern als Spaltung der Gesellschaft beschrieben wird?
Es ist absurd, wenn sich heutzutage Kinder nicht zu outen trauen ihrer Familie gegenüber. Es ist absurd, dass eine Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr miterlebt hat, im Internet die ärgsten Vernichtungsfantasien hat. Es ist absurd, dass so viele an alten Strukturen und Rollenbildern festhalten.
SN: Ein bisschen ein billiger Effekt ist es aber schon, wenn der Mops der linken, jungen Protagonistin „Marx“heißt. Ist sie wirklich links?
SN: Stimmt auch wieder. Diese Begrifflichkeiten sind ja fast altmodisch. Steht die junge
Frau denn politisch irgendwo – oder nur in Opposition zur Elterngeneration?
Ich würde sagen: Sie steht hier in dem Text vor allem in Opposition zur Elterngeneration, aber sich diese Opposition bewusst zu machen führt zu einem politischen Bewusstsein.
SN: Empfinden Sie denn ähnlich Ihrer Protagonistin auch die Lust auf einen politischen Umsturz? Ich empfinde Lust auf Menschlichkeit, Empathie, aber auch mehr Rationalität.
SN: Wie steht es denn um diese Dinge in unserer Gesellschaft? Schlecht. Mir kommt vor, dass gerade jene, die sich auf christlichkatholische Werte berufen, wenig menschlich sind.
„Ich mochte am Schreiben immer das Fiktive, das Erfinden.“
Mercedes Spannagel, Autorin
SN: „Ich hatte früh eine Abscheu in mir. Ich hatte früh Revolution in mir. Ich war antiautoritär und verwahrlost. Ich war verwöhnt“, sagt Ihre Protagonistin Luise.
Ein Umsturz reicht ja nicht, wie sähe die Welt denn dann aus – Ihre Buchheldin malt sich das ja auch nicht wirklich aus.
Als Erstes ist sie mal sicher keine Heldin. Am Anfang des Buches und am Ende des Buches sieht die Welt ohne Luises Dazutun ziemlich ähnlich aus, so wie in der realen auch: Strache war weg, Strache ist wieder da. Dazwischen ist die Sonne ein paar Mal unter- und wieder aufgegangen. Veränderungen sind lange und träge Prozesse, aber es fängt alles mit Kindern an.
SN: Welche Veränderung wünschen denn Sie sich?
Frauen und Männer sind gleich. Dafür muss aufgehört werden, Kinder mit den herrschenden Rollenbildern zu indoktrinieren. Dafür darf es keine Frauen- oder Männerberufe geben. Work-Pay-Life-Balance muss gegeben sein. Integration ist möglich. Bessere Aufklärung, mehr Diskurs – in der Schule beginnend.
SN: Nicht nur der Mops zieht sich durch Ihr Werk, sondern auch Jo. Inwieweit ist das Romandebüt ein Resultat all dessen, was Sie bisher geschrieben haben?
Ich habe eh gesucht, aber ich bin sehr perfektionistisch, was Namen betrifft, es blieb mir nichts anderes übrig, als „Jo“aus dem alten Text zu übernehmen. Natürlich ist es auch ein Resultat: Ich habe wahrscheinlich alle Texte schreiben müssen bis zu diesem Roman.
SN: Sie haben einmal gesagt, dass Sie nicht außergewöhnlich viel lesen. Welche Rolle spielen aber etwa Filmserien für Sie?
Ich habe als Kind und Jugendliche sehr viel gelesen. „Nicht außergewöhnlich viel“heißt sicher noch mehr als andere. Stilistisch habe ich mich aber tatsächlich mehr von amerikanischen Gangsterfilmen wie etwa „Pulp Fiction“oder „The Nice Guys“inspirieren lassen.
SN: Wollen Sie der Gegenwart mit Ihrer Literatur etwas entgegenhalten?
Ich lebe nicht in einem Vakuum, daher ist es unerlässlich, die Gegenwart in der Literatur zu verwenden. Am Ende gehen doch alle Schreibenden
von der Gegenwart aus. Es kann in der Kunst im Allgemeinen auch um Zukunft gehen.
SN: Ist das Schreiben auch eine Art Notwehr?
Ich mochte am Schreiben immer das Fiktive, das Erfinden. Vielleicht hab ich es also nie als „Notwehr“angesehen, sondern in den letzten Jahren als „Mittel zur Wehr“.
SN: Und Humor ist dann die letzte Waffe, die einem im Wahnsinn bleibt?
Die letzte Waffe vielleicht, aber nicht die letzte Regung, das ist schon immer noch Hoffnung.
SN: Sie haben Jus studiert und Maschinenbau, sind offenbar sehr vielseitig. Welche Rolle spielt das Schreiben?
Eine große und eine wachsende. Ich schreibe, seit ich schreiben kann, dachte aber auch immer, „Schriftstellerin“ist kein Berufswunsch. Ein Buch ist ein Schritt.
SN: Sie haben schon zahlreiche Auszeichnungen bekommen, sind auch für den Debütpreis beim Österreichischen Buchpreis nominiert. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen? Literaturpreisausschreibungen haben mich bisher immer zum Schreiben gebracht. Ich arbeite gut mit Deadlines. Und dann helfen Nominierungen oder Preise gegen Selbstzweifel.