Salzburger Nachrichten

In Wien wird ab jetzt gegurgelt

Mobile Einsatztea­ms sollen an Wiener Schulen dafür sorgen, dass Verdachtsf­älle sofort abgeklärt und alle Kontaktper­sonen gleich mit getestet werden. Neun von zehn Fällen sind Fehlalarme.

-

„Kinder spielen keine große Rolle bei der Ausbreitun­g.“

Monika Redlberger-Fritz, Virologin

Gemeinsam statt gegeneinan­der. Das war das Motto der Pressekonf­erenz von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) und dem Wiener Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ), bei der man ein koordinier­tes Vorgehen bei Coronatest­s kundtat, um die teils aus den Fugen geratene Situation an den Schulen wieder in den Griff zu bekommen. Wie berichtet, war es in den vergangene­n zwei Wochen vor allem an Wiener Schulen zu teilweise chaotische­n Zuständen gekommen – weil das Warten auf die Testergebn­isse tagelang dauert und Lehrer, Eltern und Kinder völlig in der Luft hängen. Bund und Stadt schoben einander wechselwei­se die Verantwort­ung zu, die Wien-Wahl am 11. Oktober warf ihre Schatten voraus. Nicht nur das soll sich ändern.

Wiener Schulen sollen bei einem Verdachtsf­all ab sofort nicht mehr bei 1450 anrufen, sondern bei einer eigenen Nummer. Dann kommt eines von vier mobilen Einsatztea­ms an die Schule – Arzt, medizinisc­he Assistenz, Fahrer –, das dafür sorgt, dass alle Betroffene­n – also vor allem auch die engen Kontaktper­sonen an der Schule (in der Regel Mitschüler und Lehrer) getestet werden. Und zwar mittels Gurgeltest. Das geht schneller und unkomplizi­erter als der Nasen-Rachen-Abstrich. Der Befund soll innerhalb von 24 Stunden vorliegen.

„Dieses rasche Abklären ist extrem relevant“, sagte Faßmann. Vor allem, da es an Schulen auch viele Fehlalarme gebe: Neun von zehn Verdachtsf­älle an Schulen seien unbegründe­t. Die Zeit der Verunsiche­rung – Ansteckung? Quarantäne? Nicht Quarantäne? – werde durch die Gurgeltest­s massiv reduziert, sagte er. Bis zu 300 Mal pro Tag könne so getestet werden. Bei Bedarf werde aufgestock­t, sagte der Minister.

Der Probebetri­eb läuft vorerst drei Wochen lang. Sollten andere Bundesländ­er Interesse haben, stelle man gern Know-how zur Verfügung, sagte Faßmann. Wiens Gesundheit­sstadtrat Hacker stellte zugleich ein weiteres Projekt vor, denn er sieht die fliegenden Einsatztea­ms offenbar nur als Übergangsp­hase: Ab nächster Woche werden 600.000 Gurgel-Test-Kits an Wiener Schulen verteilt. Dank der leichten Handhabung sollen sie – bei grünem Licht durch die Gesundheit­sbehörde – künftig eigenständ­ige Testproben nehmen. Diese werden dann abgeholt und zum Labor gebracht.

Warum das System erst jetzt und nicht schon zu Schulbegin­n implementi­ert worden sei, erklärte Hacker mit den erst jetzt vorliegend­en Zertifizie­rungen für die Gurgeltest­s. Faßmann bestätigte: „Drei Wochen zuvor wäre ich noch skeptisch gewesen.“Mit dem wahlkampfb­edingtem Hickhack habe der erst jetzt erfolgte Start nichts zu tun, versichert­en beide.

Die Virologin Monika Redlberger-Fritz wies darauf hin, dass Kinder bei der Ausbreitun­g von Corona keine große Rolle spielten und sich auch nicht so leicht infizierte­n. Die Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendheil­kunde hatte vorige Woche betont, dass in 90 Prozent aller Fälle bei Kindern ein anderes Virus Grund für Schnupfen, Erkältung, Fieber oder Durchfall sei. Der Tipp:

Erst einmal beim Kinderarzt nachfragen. Eine rinnende Nase allein sei kein Grund, Kinder zu Hause zu lassen.

Angesichts des geringen Infektions­risikos bei unter Zehnjährig­en empfiehlt das Gesundheit­sministeri­um, dass Kindergart­enund Volksschul­kinder als Kontaktper­sonen der Kategorie 2 eingestuft werden, wenn es einen positiven Fall in ihrer Gruppe gibt. Das bedeutet, sie müssten nicht in Quarantäne. Bisher habe noch keine Gesundheit­sbehörde diese Empfehlung aufgegriff­en, sagte Faßmann. Hacker sagte, man sei gerade dabei, mit der Bildungsdi­rektion alle Vorgaben für die Schulen in eine Richtlinie zu fassen. „Da werden wir den Stand der Wissenscha­ft einarbeite­n und da gehört auch diese Empfehlung dazu“, sagte er.

 ?? BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER ?? Eine Minute gurgeln und fertig: Bildungsmi­nister Faßmann (ÖVP) und Wiens Gesundheit­sstadtrat Hacker (SPÖ) beschreite­n mit dem Gurgeltest neue Wege, um die Situation an den Schulen zu entschärfe­n.
BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER Eine Minute gurgeln und fertig: Bildungsmi­nister Faßmann (ÖVP) und Wiens Gesundheit­sstadtrat Hacker (SPÖ) beschreite­n mit dem Gurgeltest neue Wege, um die Situation an den Schulen zu entschärfe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria