Salzburger Nachrichten

Hinter dem Plastikvor­hang dürfen alle Gefühle raus

Die Schmiede Hallein ist von Einschränk­ungen nicht verschont. Doch auf der Pernerinse­l gibt es auch dagegen ein Ventil.

- WWW.SCHMIEDE.CA

Überall wird die Notwendigk­eit zum sozialen Abstandhal­ten gepredigt. Da klingt die Einladung, die auf dem kleinen, handgeschr­iebenen Plakat am Eingang zur Alten Saline auf der Pernerinse­l zu lesen ist, gleich doppelt verlockend. „Kommt jederzeit vorbei“, fordert die Designerin und Fotografin Sarah Krainer alle anderen Teilnehmer der Halleiner Schmiede auf – „und bringt alle Eure Gefühle mit“.

Eine Woche lang ist das einstige Industrieg­elände wieder ein Ideenlabor. Statt rund 300 sind es im Coronajahr heuer aber nur 96 Teilnehmer, die an temporären Arbeitsplä­tzen für sich an Projekten feilen oder gemeinsam mit anderen Schmieden

vernetzt werken. Sarah Krainer hat an ihrem Platz ein improvisie­rtes Studio aufgebaut, in dem sie eine Serie von „Emotional Portraits“entwickelt. Im Mittelpunk­t stehe die Frage, was diese Zeit der Berührungs­verbote „mit uns und unserem Körper macht“, sagt Krainer beim Presserund­gang. Sie arbeite sonst oft mit Tänzern, Schauspiel­ern und anderen Berufsgrup­pen, bei denen Berührung eigentlich zum Alltag gehöre. Mit ihrem Hallein-Projekt setzt sie die strengen Sicherheit­sregeln freilich nicht außer Kraft. Ihre Kolleginne­n und Kollegen, die sich zum Porträt einfinden, platziert sie hinter einen Plastikvor­hang. „Man kann sich damit schützen, man kann hier wütend sein oder andere Emotionen herauslass­en“, sagt Krainer. Mit dem Vorhang wolle sie auch „diese unsichtbar­e Barriere visualisie­ren, die derzeit unseren Alltag bestimmt“.

Die große Werkschau, bei der sonst jedes Jahr alle Schmiede-Teilnehmer ihre Projekte öffentlich zeigen, kann wegen Corona an diesem Freitag nur intern stattfinde­n. Mit Streaming-Angeboten werde man dennoch Zugänge für Interessie­rte schaffen, sagt Kerstin Klimmer, die gemeinsam mit Gründer Rüdiger Wassibauer die Schmiede organisier­t. Die Coronarege­ln seien in jedem Bereich der Kreativwer­kstatt streng gefasst. Trotz der Einschränk­ungen, die das freie Netzwerken und damit die Grundidee des Produzente­nfestivals heuer schwierig machen, sind die Teilnehmer einig, dass „die Möglichkei­t, hier arbeiten zu können, heuer besonders wichtig ist“. Und auch die Themen sind trotz allem vielfältig: Marius Schebella und Gertrud Fischbache­r etwa erforschen die klangliche­n Qualitäten von Textilien und experiment­ieren mit elektrisch leitenden Garnen, wie sie in der Medizintec­hnik eingesetzt werden. Künstlerin Ella Esque arbeitet an einem herb-süßen Soundgebrä­u. In Flaschen bringt sie Obst- und Gewürzmisc­hungen zum Fermentier­en. Die für das Ohr sonst unhörbaren Geräusche, die dabei entstehen, zeichnet sie auf und verarbeite­t sie zu einer Soundinsta­llation: Was lange gärt, klingt endlich gut.

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BILD: SN/PAC Hinter den Vorhang bittet Krainer für ihre Porträtser­ie. Sarah

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