Deutsche Wirtschaft läuft besser als erwartet
Aufgrund der Lockerung der Coronamaßnahmen hat sich das Bild über den Sommer aufgehellt. Aber die Erholung bleibt fragil.
Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland wird geringer ausfallen als noch vor dem Sommer erwartet. Das Münchner ifo-Institut rechnet für heuer mit einem Minus von 5,2 Prozent, vor zwei Monaten war man noch davon ausgegangen, dass das Bruttoinlandsprodukt um 6,7 Prozent sinkt. Wenn die aktuelle Prognose eintrifft, dann wird der Konjunktureinbruch im Gesamtjahr schwächer sein als nach der Finanzkrise 2008, damals war die deutsche Volkswirtschaft um 5,7 Prozent geschrumpft.
Dass es heuer besser als befürchtet laufen könnte, bringt allerdings mit sich, dass der Anstieg der Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr schwächer ausfallen und statt 6,4 nur 5,1 Prozent betragen wird. Ende 2021 sollte die deutsche Wirtschaft ihr Niveau vor Ausbruch der Pandemie erreichen, 2022 schwenkt die größte Volkswirtschaft Europas mit plus 1,7 Prozent wieder auf einen normalen Wachstumspfad ein.
Im ersten Halbjahr durchlebte Deutschland die tiefste Rezession in der Nachkriegsgeschichte – nach minus 2,0 Prozent im ersten Quartal brach das Wachstum im zweiten Quartal um 9,7 Prozent ein. Der Abschwung sei im Vergleich zu anderen Ländern jedoch mild verlaufen, sagte ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser bei der Präsentation der Prognose am Dienstag. Seine Erklärung: Es sei gelungen, die Ausbreitung des Virus mit weniger einschränkenden Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen, und die Industrieproduktion
und ihr relativ hoher Anteil an der Wertschöpfung waren von den staatlichen Maßnahmen wenig betroffen.
Dass sich das Konjunkturbild über den Sommer aufgehellt habe, erklären die ifo-Experten mit den allmählich gelockerten und für einige Bereiche sogar aufgehobenen Shutdown-Maßnahmen. Deshalb hätten sich die Geschäftserwartungen der Unternehmen von ihrem Tiefpunkt im April aus deutlich verbessert, das Geschäftsklima nähere sich dem Niveau vor der Krise. Für das zu Ende gehende dritte Quartal erwartet das ifo – ausgehend vom tiefen Niveau während des Shutdowns – einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 6,6 Prozent.
In der Folge werde sich die Erholung allerdings verlangsamen. Die Ursache dafür sieht man im ifo-Institut im weiter beschränkten Angebot an Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem privaten Konsum – etwa in der Gastronomie oder im Tourismus.
Tiefe Spuren hinterlässt die Rezession auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen, die 2019 im Jahresdurchschnitt bei 2,3 Millionen lag, wird heuer auf 2,7 Millionen steigen und auch 2021 und 2022 über der Marke von 2,5 Millionen liegen. Es sei zu befürchten, dass Arbeitnehmer, die im Zuge von Insolvenzen freigesetzt werden, „zumindest mittelfristig keine neue Anstellung finden werden“.
In der Leistungsbilanz wird es nur 2020 einen Knick geben, der Überschuss wird von 244 auf 215 Mrd. Euro sinken. 2021 soll der Saldo aus Exporten und Importen wieder auf 276 Mrd. Euro steigen und 2022 sogar 290 Mrd. Euro erreichen.
Dem verhalten optimistischen Ausblick stehen allerdings einige Risiken gegenüber. Zum einen sei nicht absehbar, wie stark die erwartete Insolvenzwelle ausfallen und welche Folgen der Strukturwandel in der Autoindustrie haben wird. Zudem seien mit der Pandemie andere Krisenherde nicht verschwunden, Wollmershäuser nennt einen harten Brexit sowie die latente Gefahr von Handelskonflikten.
„Die Pandemie, ein harter Brexit, Handelskriege – die Unsicherheit bleibt.“
Timo Wollmershäuser, ifo-Institut