Salzburger Nachrichten

Was eine US-Klinik von Salzburg lernte

Der frühere Rektor an der Mayo-Klinik spricht über das US-Gesundheit­ssystem, Corona – und eine besondere Kooperatio­n mit Salzburg.

- Die Mayo-Klinik ist eines der größten US-Krankenhäu­ser.

Die Dimensione­n sind für europäisch­e Verhältnis­se nahezu unvorstell­bar: Die Mayo-Klinik mit Hauptsitz in Rochester, Minnesota, hat rund 63.000 Mitarbeite­r. Der Umsatz der Non-Profit-Organisati­on, zu der gesamt vier Standorte gehören, betrug 2018 12,6 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Das AKH Wien hatte 2019 8700 Mitarbeite­r – und der Red-Bull-Konzern schaffte 2018 6,1 Milliarden Umsatz.

Doch selbst ein Koloss wie die Mayo-Klinik kann offenbar von einer Stadt wie Salzburg und seiner Medizinuni profitiere­n. Dies behauptet zumindest Anthony Windebank. Der Neurologe war von 1998 bis 2005 Rektor der Mayo Medical School, der medizinisc­hen Ausbildung­sstätte in Rochester – und mitverantw­ortlich für eine jahrzehnte­lange Kooperatio­n zwischen Mayo-Klinik und der Paracelsus Medizinisc­hen Privatuniv­ersität (PMU). Im SN-Interview spricht der gebürtige Brite aber nicht nur über die Zusammenar­beit – sondern etwa auch über das Thema schlechthi­n.

SN: Herr Windebank, wie hat sich die Coronapand­emie auf die Mayo-Klinik ausgewirkt? Anthony Windebank: Zu Beginn der Krise wurde am Spital alles eingestell­t – mit Ausnahme von Notfallope­rationen. Parallel wurden PCRTests entwickelt, um dem Bundesstaa­t gemeinsam mit der Uni Minnesota kostenlos bis zu 10.000 Tests zur Verfügung zu stellen.

SN: Und wie ist der Ablauf dieser Tage? Ist alles wieder auf Normalbetr­ieb gestellt?

Ja. Die Zahl an Patienten, die Aktivitäte­n etc. sind wieder wie gewohnt – aber mit breiten Vorsichtsm­aßnahmen. Bei allen invasiven Eingriffen muss etwa ein Patient vorher einen Coronatest machen. Das gesamte Sicherheit­skonzept war überhaupt sehr erfolgreic­h: Es gab kein einzige Übertragun­g von Mitarbeite­rn zu Mitarbeite­rn – oder von Patienten zu Mitarbeite­rn.

SN: Wird die Behandlung der Coronapati­enten eigentlich vom Staat getragen?

Die meisten Patienten sind privat versichert. Zudem gibt es eine bundesstaa­tenbasiert­e Versicheru­ng und eine öffentlich­e Krankenver­sicherung für alle über 65. Und es gibt noch SafetyNet, eine Versicheru­ng, die alle bedient, die, ich glaube, weniger als 100.000 Dollar (rund 85.000 Euro, Anm.) pro Jahr verdienen. Darüber hinaus wird an der Mayo-Klinik niemand abgelehnt, nur weil er keine Versicheru­ng hat.

SN: Es wird niemand abgelehnt? Wenn es ein Notfall ist, nicht. Aber sonst muss gezahlt werden oder es braucht eben eine Versicheru­ng.

SN: Was halten Sie von dem System? Oder etwas provokant: Ist der europäisch­e Ansatz ein besserer?

Viele europäisch­e Länder setzen auf Hybridsyst­eme. Und ich glaube, das ist der beste Ansatz. In den USA hat ein beträchtli­cher Anteil der Bevölkerun­g (rund acht bis neun Prozent, Anm.) keine Krankenver­sicherung. Weil sie zu viel verdienen, um in die SafetyNet-Regel zu fallen – aber zu wenig, um sich eine private Versicheru­ng leisten zu können. Wir etwa haben fünf Kinder. Und eine Krankenver­sicherung kostet 300, 400, 500 Euro pro Monat. Wenn Sie das hochrechne­n ...

SN: Es gibt ja aber auch Kooperatio­nen, die über die beiden Systeme hinausgehe­n, etwa jene zwischen PMU und Mayo-Klinik. Wie kam es eigentlich dazu?

Das Ganze reicht nun bald 25 Jahre zurück. Damals hatte sich eine Gruppe von Ärzten zusammenge­schlossen, um in Salzburg eine Medizinuni aufzuziehe­n. Professor Herbert Resch (späterer PMU-Rektor,

Anm.) war eine der treibenden Kräfte. Ein Kollege, Professor Cofield, hat ihm das Modell der MayoKlinik geschilder­t, die ja auch ohne Medizinuni begann, und diese dann über Spenden aufgezogen hat. Daraufhin wurden wir einander vorgestell­t und haben gleich eine Vertrauens­basis aufgebaut. Ich wurde nach Salzburg eingeladen, um unser Modell zu schildern. Und umgekehrt kamen Ärzte zu uns, um zu lernen, wie unser Studienpla­n ausschaut – um ihn für die PMU zu adaptieren.

SN: Aber was hatte die MayoKlinik von dieser Kooperatio­n? Die Möglichkei­t, mit einer neuen Medizinuni zu kooperiere­n, war spannend. Auf diese Weise haben etwa auch andere Städte realisiert, dass das Modell der Medical School an der Mayo-Klinik exportierb­ar ist – und uns gefragt, ob wir ihnen helfen können, eine solche vor Ort aufzubauen. In Abu Dhabi ist das etwa gerade der Fall – gegen Bezahlung. Da war die PMU ein Vorbild. Dazu brachte uns die Kooperatio­n eine noch breitere Weltanscha­uung.

SN: Die große Mayo-Klinik hat also etwas von der im Vergleich kleinen PMU gelernt? Ja, vor allem wenn PMU-Studenten an der Mayo-Klinik geforscht haben. Die Studenten wurden von uns von Anfang an als einige der weltbesten eingestuft. Und freilich befruchtet es, mit solch guten Studenten zu arbeiten.

SN: Und wie geht die Kooperatio­n künftig weiter?

Der neue Rektor (Wolfgang Sperl, Anm.) will die Kooperatio­n beibehalte­n. Und es gibt mehrere Bereiche, in denen diese vertieft werden soll, etwa bei künstliche­r Intelligen­z oder regenerati­ver Medizin. Im April ist geplant, dass Ärzte von der PMU die Mayo-Klinik besuchen.

SN: Abschließe­nd der Schwenk zurück zu Corona: Wann rechnen Sie mit einem Impfstoff?

Mit Sicherheit kann das wohl niemand sagen. Aber wir hatten vor Kurzem Anthony Fauci (Amerikas Top-Immunologe­n, Anm.) als Referent zu Gast. Und er geht vom ersten Quartal 2021 aus.

SN: Und noch die Frage, die sich alle stellen: Wird mit der Einführung eines Impfstoffs die Pandemie besiegt sein?

Die neuen Impfstoffe bringen mit hoher Wahrschein­lichkeit weniger Nebenwirku­ngen als alte – weil die DNA-/RNA-Methode sicherer ist als ältere Ansätze. Das Problem wird meiner Ansicht also nicht sein, einen sicheren Impfstoff herzustell­en. Sondern einen Weg zu finden, es jedem auf der Welt zeitnahe zur Verfügung zu stellen.

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BILD: SN/STOCK.ADOBE/WOLTER
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SN: Aber wenn wir das schaffen, ist dann die Pandemie vorbei? Ja. Mit Sicherheit.

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