Bullen zwischen Selbstkritik und Zuversicht
Gehemmt statt hemmungslos: Red Bull Salzburg gewann das Hinspiel gegen Maccabi Tel Aviv mit 2:1, zeigte aber nur zu Beginn der zweiten Hälfte das wahre Leistungsvermögen.
SALZBURG. Red Bull Salzburg und die Champions-League-Qualifikation – das ist eine Geschichte voller Leiden und Leidenschaft. Elf Mal war man seit 2006 auf dem Weg in die Fußball-Königsklasse gestolpert, sehr oft mit Pech, manchmal auch durch eigenes Unvermögen. Wie schwer diese Last nach wie vor wiegt, wurde am Dienstagabend im Play-off-Hinspiel bei Israels Meister Maccabi Tel Aviv deutlich. Die Champions League vor Augen, spielten die Bullen plötzlich nicht mehr so hemmungslos wie in der Gruppenphase im vergangenen Jahr, sondern gehemmt, phasenweise fast ängstlich. Dennoch stand am Ende ein 2:1-Auswärtssieg, der den Salzburgern eine hervorragende Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Mittwoch verschafft hat. Nach dem Schlusspfiff wankten Trainer Jesse Marsch und seine Truppe zwischen Selbstkritik und Zuversicht.
Das Beste an der Partie waren zweifellos die zwei Auswärtstore, sie sind der Türöffner zur Champions League. In den 90 Minuten zuvor gelang Red Bull Salzburg nur wenig. Erst ein (schmeichelhafter) Elfmeter, den Dominik Szoboszlai zum zwischenzeitlichen 1:1 verwertet hatte, brachte die Salzburger in Israel zurück ins Spiel. „Ein überlebenswichtiges Auswärtstor“, schrieben am Mittwoch auch die Bullen auf ihrer Clubhomepage. Und ein Weckruf, dass die FußballMagerkost, die man in den ersten 45 Minuten serviert hatte, zu wenig war, um als Sieger von dem inzwischen arg malträtierten Platz im Bloomfield-Stadion zu gehen. Ihr wahres Leistungsvermögen zeigten Szoboszlai und Co. nur zu Beginn der zweiten Spielhälfte – und wurden nach einem typischen RedBull-Spielzug prompt mit dem Siegtreffer zum 2:1 belohnt. Nach einem Ballgewinn ging es überfallsartig nach vorn. Eingefädelt hatte das Tor von Masaya Okugawa der eingewechselte Sékou Koïta, der unverständlicherweise nicht für die Startelf nominiert worden war. „Es war ein harter Kampf. Wir wussten, dass es nicht einfach werden würde. Nach einem Rückstand noch gewonnen zu haben ist sehr, sehr wichtig für uns“, sagte Trainer Marsch, der seinem Team entgegen der allgemeinen Meinung eine „gute Leistung“attestierte. Vielleicht, weil er zuvor einen Blick auf die Statistik geworfen hatte. Die spuckte aus Sicht der Salzburger folgende Zahlen aus: 24 zu 13 Schüsse, 11 zu 9 Torschüsse, 80 Prozent Passquote und 56 zu 44 Prozent Ballbesitz.
Nur bei den gewonnenen Zweikämpfen lag Maccabi Tel Aviv vorn (44 zu 56 Prozent).
Und dennoch hat gegen die durch zahlreiche Coronafälle ersatzgeschwächten Israelis bei Weitem nicht alles so geklappt, wie man sich das bei den gehobenen Ansprüchen von Red Bull Salzburg erwarten durfte. Vom Fehlen der neun infizierten Maccabi-Spieler profitierten die Bullen nicht. Möglicherweise war das auch den mental herausfordernden Umständen geschuldet, befindet sich Israel doch seit Tagen im Lockdown. „Es hat weniger Gutes funktioniert als Schlechtes“, gab Szoboszlai zu. „Aber wichtig ist, dass wir 2:1 gewonnen haben. Von uns kann jeder besser spielen.“Der 19-jährige Bullen-Jungstar klagte darüber hinaus über die schwülwarmen Temperaturen in Tel Aviv, die „vielleicht ein Vorteil für den Gegner waren“. Szoboszlai: „Es war nicht nur heiß, du kriegst dort einfach keine Luft.“
Dass man nur wenige zwingende Torchancen kreieren konnte und im Angriffsdrittel viel zu fehlerhaft agierte, kann aber nicht nur am Wetter liegen. Im Rückspiel in einer Woche, das abermals ohne Zuschauer stattfinden wird, braucht es definitiv eine Steigerung. Bullen-Keeper Cican Stankovic meinte mit dem Blick auf die Champions-LeagueGruppenphase: „Wir sind sehr heimstark, kennen unser Stadion und die Temperaturen sind gefühlt um 20 Grad niedriger. Das ist sicher ein Vorteil.“