Salzburger Nachrichten

Hilfsmögli­chkeiten annehmen

- 5163 Mattsee 5622 Goldegg

Die, soweit möglich, tägliche Lektüre der SN mit ihren qualifizie­rten und differenzi­erten Beiträgen ist mir immer eine große Freude und Bereicheru­ng! Oft juckt mich dabei ein Kommentar, so auch vor ein paar Tagen anlässlich Ihres Beitrags über den tragischen Tod eines achtjährig­en Mädchens, verursacht aller Wahrschein­lichkeit durch ihre offenbar psychisch erkrankte Mutter (11. 9. 2020):

Als Ärztin der psychiatri­schen Abteilung des KSK Schwarzach, aber auch als selbst in der Vergangenh­eit an einer Depression erkrankte (leider) alleinerzi­ehende Mutter einer Tochter, möchte ich gerne eine Rückmeldun­g zu diesem überaus tragischen, weil bei entspreche­nder Behandlung möglicherw­eise gut vermeidbar­en Geschehen geben.

Psychische Erkrankung­en sind längst keine seltene Ausnahme. Ich glaube, etwa jeder dritte Mensch erkrankt hierzuland­e mindestens einmal in seinem Leben daran. Die Palette ist breit, angefangen von sog. Anpassungs­störungen, Burnout

oder Depression­en über bipolare (manisch-depressive) Störungen, Suchterkra­nkungen bis hin zu Psychosen oder Schizophre­nien.

Bei allen diesen Erkrankung­en, die das Alltagsleb­en massiv beeinträch­tigen, wenn nicht sogar gänzlich lahmlegen können, ist durch eine entspreche­nde fachliche Behandlung – zumeist in Form einer Kombinatio­n aus medikament­öser und psychother­apeutische­r Interventi­on – eine zumindest wesentlich­e Besserung, wenn nicht sogar Heilung möglich.

Leider werden psychische im Gegensatz zu körperlich­en Erkrankung­en von den davon Betroffene­n jedoch immer noch häufig als „Makel“oder „persönlich­es Versagen“empfunden, obwohl sich diesbezügl­ich ein langsames Umdenken in unserer Gesellscha­ft zu vollziehen scheint.

Nicht nur die weitverbre­iteten Depression­en, auch eine Reihe weiterer psychische­r Erkrankung­en können unbehandel­t in Situatione­n führen, die der/dem Betroffene­n immer ausweglose­r erscheinen. Der Blick in die Welt verengt sich zu einem dunklen Tunnel, die Zukunft erscheint nicht mehr lebbar und im allerschli­mmsten Fall kann auch die Verantwort­ung für ein geliebtes Kind nicht mehr übernommen werden, was in einem sog. „erweiterte­n Suizid“gipfeln kann.

Ich möchte daher sowohl an Betroffene, aber auch an deren Umfeld ganz dringlich appelliere­n, die Augen nicht resigniert bzw. aus gut gemeinter Zurückhalt­ung vor den vielfältig­en ambulanten und wenn nötig auch stationäre­n Hilfsmögli­chkeiten zu verschließ­en.

Dr. Dorothea Reingruber

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