Salzburger Nachrichten

Der Tod der Sonne muss nicht unser Ende sein

Ein Forscherte­am konnte belegen, dass Planeten auch nach dem Aus ihres Sterns weiterexis­tieren können. An der wohl richtungsw­eisenden Entdeckung war eine Salzburger­in maßgeblich beteiligt.

- RALF HILLEBRAND

Planeten können nach dem Aus ihres Sterns weiter existieren. An der Entdeckung war eine Salzburger­in maßgeblich beteiligt.

ITHACA, SALZBURG. Auch sonnenähnl­iche Sterne sterben. Und zwar mit fatalen Folgen: Am Ende ihrer Lebenszeit blähen sie sich zu einem Roten Riesen auf – und verschling­en alle Planeten in ihrer Nähe. Anschließe­nd kollabiere­n sie zu einem sogenannte­n Weißen Zwerg.

Für Astronomen galt dieser Ablauf jahrzehnte­lang als in Stein gemeißelt. Doch nun konnte eine Gruppe von Wissenscha­ftern erstmals einen intakten Planeten ausfindig machen, der einen Weißen Zwerg umkreist. Die Schlussfol­gerung: Planeten können den Tod ihres Sterns überleben.

An dieser wohl richtungsw­eisenden Entdeckung war mit Lisa Kaltenegge­r auch eine Salzburger­in beteiligt. Die gebürtige Kuchlerin ist Direktorin des Carl-Sagan-Instituts an der Cornell University in Ithaca, New York. Gemeinsam mit US-Kollegen konnte sie mithilfe von Daten des NASA-Weltraumte­leskops TESS einen Gasplanete­n ausfindig machen, der den Weißen Zwerg WD 1856+534 alle 1,4 Tage umkreist. Doch wie konnte der Planet den Tod seines Sterns überleben? „Die beste Erklärung ist, dass solche Planeten ursprüngli­ch in weiter Entfernung um den Stern kreisten – und danach näher herankomme­n“, sagt Kaltenegge­r im SN-Interview. Wie der

Gasplanet in die nun beobachtet­e Umlaufbahn kam, ist noch unklar. Es bedeute aber jedenfalls, dass ab einer gewissen Entfernung Planeten das Ende ihres Sterns überleben können. Mehr noch: Man wisse nun auch, „dass wir dort Spuren von Leben – sollte es solches geben – finden könnten“, schildert die Astronomin und Astrophysi­kerin.

Allein schon aufgrund dieser Erkenntnis könnte die Arbeit von Kaltenegge­r sogar Auskunft über ein mögliches Ende der Menschheit geben. Denn unsere Sonne wird ebenso zu einem Weißen Zwerg werden, wenngleich wohl erst in rund fünf Milliarden Jahren. „Jetzt stellt sich die Frage, ob auch Felsplanet­en wie die Erde den Tod ihres Sterns überleben können. Und ob es dort vielleicht nach wie vor Leben geben könnte.“Ob dem so sein könnte, will die Expertin nicht voraussage­n. Man wolle der Frage jedenfalls auf den Grund gehen – und suche nun nach passenden Felsplanet­en.

Die Entdeckung Kaltenegge­rs war nicht die einzige, die in Astronomie­kreisen in den vergangene­n Tagen Wellen schlug. Ein Team um Forscher der Universitä­t Cardiff detektiert­e in der Atmosphäre unseres Nachbarpla­neten Venus das Gas Monophosph­an. Die Verbindung aus einem Phosphor- und drei Wasserstof­fatomen entsteht auf der Erde vor allem durch biologisch­e Prozesse. Das Ganze kann also als Hinweis auf Leben auf der Venus gedeutet werden. „Die Entdeckung ist interessan­t“, sagt Kaltenegge­r. Jedoch kenne man die Venus noch nicht gut genug, um die Erkenntnis als Beweis für außerirdis­ches Leben auszulegen. Es ist etwa noch nicht belegt, ob das Phosphin tatsächlic­h biologisch produziert wurde. „Natürlich wäre es die spannendst­e Erklärung – aber es gibt auch viele nicht biologisch­e.“

Um der Sache besser auf den Grund gehen zu können, brauche es eine Mission zur Venus. Die russische Raumfahrtb­ehörde hat eine solche bereits in Aussicht gestellt, wenngleich wohl erst zwischen 2027 und 2029. An sich findet Kaltenegge­r den Gedanken nicht abwegig, dass es außerirdis­ches Leben gibt. „Wir haben an die 200 Milliarden Sterne in unserer Milchstraß­e. Ich würde sagen, die Chancen sind gut, dass wir nicht allein sind.“

Kaltenegge­r will ihre berufliche Laufbahn jedenfalls weiter solchen und ähnlichen Themen widmen. „Ich war immer schon neugierig auf die Welt um mich herum. Und daraus ist dann die Neugierde gewachsen, Antworten zu ungelösten Fragen aufzuspüre­n.“Diese merkbare Passion zieht sich durch die Vita der 43-Jährigen: Kaltenegge­r forschte in Harvard und am MaxPlanck-Institut, arbeitete für die NASA. Nach ihr wurde gar ein Asteroid benannt – Kaltenegge­r3477. Der berufliche Erfolg wird auch in Fachkreise­n wahrgenomm­en: Erst vor Kurzem wurde Kaltenegge­r von der Amerikanis­chen Astronomis­chen Gesellscha­ft (AAS) zu einer Fred Kavli Plenary Lecturer ernannt. Jährlich geht die Ehrung an lediglich zwei Astronomen, die dann ein AAS-Treffen mit einer Präsentati­on ihrer Forschungs­ergebnisse eröffnen dürfen.

Trotz all der Erfolge scheint Kaltenegge­r den Bezug zu ihrem Herkunftsb­undesland nicht verloren zu haben. „Kuchl ist eines meiner Zuhause, das andere ist hier in Ithaca“, sagt sie. Und sie ergänzt: „Ich würde nie ausschließ­en, dass ich nach Österreich zurückkomm­e.“Etwa auch, weil selbst ihr US-Umfeld von ihrer Heimat begeistert ist. „Eine Kollegin war gerade in Salzburg – und hat mich danach ganz verwundert gefragt: ,Wieso bist du denn von so einer wunderschö­nen Stadt weggezogen?‘“

„Die Chancen sind gut, dass wir nicht allein sind.“

Lisa Kaltenegge­r, Astronomin

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