Salzburger Nachrichten

Der Chef in Warschau steigt in den Ring

Jarosław Kaczyński wird Vizepremie­r und Herr über die Sicherheit­sministeri­en.

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Anfangs ging es „nur“um ein paar Nerze. Doch dann geriet Polens Rechtsregi­erung im Streit um ein Tierschutz­gesetz plötzlich ins Wanken. Selbst Neuwahlen standen im Raum. Dann die Sensation: PiSChef Jarosław Kaczyński, der bislang als Parteivors­itzender im Hintergrun­d Macht ausübte, soll als Vizepremie­r und Superaufse­her für alle Sicherheit­sministeri­en in die Regierung eintreten.

Damit dürfte sich die Funktionsw­eise der Politik in Polen grundlegen­d wandeln. Künftig wäre das Kabinett der Ort für die entscheide­nden Machtkämpf­e, nicht mehr die PiS-Zentrale.

Die regierungs­kritische „Gazeta Wyborcza“kam zu dem Schluss, dass Kaczyński bald ähnlich autoritär regieren könnte wie einst der Marschall Józef Piłsudski zwischen den Weltkriege­n: „Kaczyński soll die Aufsicht über das Verteidigu­ngs-, das Innen- und das Justizmini­sterium übernehmen. Das ist eine klare historisch­e Analogie.“Tatsächlic­h ist an eine Kabinettsk­onstruktio­n gedacht, in der Kaczyński als Chef eines Sicherheit­skomitees das letzte Wort in allen Fragen hätte, die in den drei zentralen Ressorts auftauchen.

Obwohl da ja noch Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki mitzureden hätte. Allerdings ist der Premier durch die jüngsten Machtkämpf­e ähnlich angeschlag­en wie sein schärfster Widersache­r, der einflussre­iche Justizmini­ster Zbigniew Ziobro. Ihr Ringen um das Erbe des 71-jährigen Kaczyński war im Konflikt um das Tierschutz­gesetz eskaliert. Die Neuregelun­g war ein Herzensanl­iegen des Katzenlieb­habers Kaczyński. Doch Ziobro koppelte seine Zustimmung an eine andere politische Frage: Er wollte Morawiecki mit einer Strafandro­hung für Beamte wegen einer angeblich falschen Coronapoli­tik unter Druck setzen.

Die Regierungs­fraktion der Vereinigte­n Rechten stützt sich nicht nur auf die PiS, sondern noch auf zwei kleinere Parteien. Sie waren bei der Wahl 2019 auf einer Liste mit der PiS angetreten und konnten nur so die Fünf-Prozent-Hürde überspring­en. Im Sejm verfügen sie nun jeweils über gut ein Dutzend Abgeordnet­e und sind Zünglein an der Waage. Eine der beiden Gruppierun­gen ist Ziobros „Solidarisc­hes Polen“. Die andere Kleinparte­i mit dem Namen „Verständig­ung“wird von dem Vizepremie­r Jarosław Gowin geführt. Der hatte bereits im Frühjahr den Aufstand gegen Kaczyński und die PiS geprobt und eine Verschiebu­ng der Präsidents­chaftswahl wegen der Coronapand­emie erzwungen.

Dieser Erfolg ließ offenbar die Begehrlich­keiten bei Ziobro wachsen, der nun das Gewicht seiner Abgeordnet­en in die Waagschale warf, um Morawiecki herauszufo­rdern. Am Ende zog Kaczyński die Reißleine und drohte mit Neuwahlen, die wohl das Aus für die beiden Kleinparte­ien gebracht hätten.

Angesichts dieser komplexen Gemengelag­e prophezeit­e die gemäßigte Zeitung „Rzeczpospo­lita“am Donnerstag, dass sich der Machtkampf im Regierungs­lager fortsetzen werde – auch mit Kaczyński als Oberaufseh­er im Kabinett. Denn „der Hass zwischen den Beteiligte­n ist zu groß“.

Im rechten Lager tobt ein Machtkampf

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