Metaller machten den Sack schnell zu
Die Sozialpartner einigten sich in den kürzesten Lohnverhandlungen der Geschichte auf 1,45 Prozent mehr Lohn. Die Gewerkschaften verzichteten dafür auf höhere Einmalzahlungen. Aber wurden damit auch Arbeitsplätze gesichert?
„Lohnerhöhung sichert keine Arbeitsplätze.“
„Es ist ein Abschluss mit Augenmaß.“
WIEN. Der heurige Kollektivvertragsabschluss der Metaller geht in die Geschichte ein. Nicht wegen der Höhe – das Plus bei den Ist- und KVLöhnen und -Gehältern von 1,45 Prozent liegt klar unter jenem der Vorjahre. Historisch ist, wie rasch der Abschluss gelang. Nur eine Stunde nach dem Zusammentreffen der Verhandler am Donnerstag verkündete Rainer Wimmer, Chef der Produktionsgewerkschaft ProGe: „Es gibt einen Abschluss.“
Der Einigung waren mehrstündige informelle Gespräche am Vorabend vorausgegangen. Die Einigung galt zunächst für die rund 127.000 Mitarbeiter der Metalltechnischen Industrie (MTI). Am Nachmittag folgten die übrigen MetallFachverbände mit rund 70.000 Mitarbeitern, darunter die Gießereiund Fahrzeugindustrie, BergbauStahl, die NE-Metallindustrie und Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen. Seit 2012 verhandeln die Verbände separat, die Abschlüsse fielen aber immer gleich aus.
Die heurige Einigung umfasst die Empfehlung, eine „Coronaprämie“von 150 Euro als Einmalzahlung auszubezahlen. Diese gelte für „alle Betriebe, die es sich leisten können“. Zudem können Beschäftigte in Betrieben mit einem kollektivvertraglichen Zeitkontenmodell ihr Minus von 120 auf 180 Stunden erhöhen. Das gibt Betrieben im Einsatz
der Mitarbeiter mehr Flexibilität. Die Arbeitgeber unterstrichen ebenso wie die Arbeitnehmer, wie wichtig es gewesen sei, sich unter den aktuellen Umständen rasch zu einigen. In früheren Jahren hatte es meist mehrerer Verhandlungsrunden mit bis zu 24-stündigen Verhandlungsmarathons bedurft, bis die Einigung auf einen KV erzielt worden war. ProGe-Chef Wimmer sprach von einem „wichtigen Lebenszeichen für die Sozialpartnerschaft“, die Verhandlungspartner hätten sich in dieser schwierigen Zeit als handlungsfähig erwiesen. Für die Arbeitgeber sagte Christian
Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie, der Abschluss sei eine „klare Anerkennung für unsere Mitarbeiter“, die sich in der Krise sehr loyal verhalten hätten. Für Unternehmen, denen es nicht gut gehe, werde die KVErhöhung aber schmerzhaft sein.
Die Arbeitgeber hatten zunächst darauf gepocht, die KV-Verhandlungen
heuer auszusetzen und erst kommendes Jahr wieder zu führen. Es gebe „nichts zu verteilen außer Sorgen“, hieß es, die Branche erwarte ein Umsatzminus von 20 Prozent und stecke in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. In Deutschland haben die MetallVerhandlungspartner coronabedingt ihre Tarifverhandlungen unterbrochen und dafür ein kurzfristiges Krisenpaket verabschiedet.
Knill machte kein Hehl daraus, dass die Arbeitgeber höhere Einmalzahlungen anstelle der nachhaltigen Anpassung der Löhne und Gehälter bevorzugt hätten. Dafür hätte man auf Löhne und Gehälter einmalig 550 Euro aufgeschlagen – als steuerbegünstigte Coronaprämie. Der jetzige Abschluss koste deutlich mehr, ist zu hören.
Die wirtschaftsnahe Denkfabrik Agenda Austria weist darauf hin, dass mit der beschlossenen Erhöhung der Staat mehr profitiere als die Beschäftigten. Bei einem Durchschnittsverdienst von 2664 Euro monatlich (brutto) bleibe einem Metallarbeiter netto nur ein Plus von 1,1 Prozent oder 20 Euro. Seine Steuer- und Abgabenleistung erhöhe sich dagegen um 1,9 Prozent oder 30 Euro monatlich. Grund sei die hohe Abgabenbelastung auf dem Faktor Arbeit, die wegen der kalten Progression zunehme, teilte die Agenda Austria mit. Wegen der schleichenden Steuererhöhung steige die Steuerbelastung auch bei einer Lohnerhöhung, die lediglich die höhere Inflation abdecke.
Die Gewerkschaften sprechen von einem „Abschluss mit Augenmaß“. Die Sozialpartner hätten „verantwortungsvoll gehandelt und auf Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit geachtet“, unterstrich Karl Dürtscher, Chefverhandler der Gewerkschaft der Privatangestellten GPA-djp. Den Gewerkschaften seien nachhaltige Lohnerhöhungen wichtiger gewesen als Einmalzahlungen, die in den Folgejahren wieder wegfallen würden.
Die Erhöhung der Löhne und Gehälter um 1,45 Prozent bildet gerade einmal die laufende rollierende Inflation der vergangenen zwölf Monate ab. Diese lag von September 2019 bis einschließlich August 2020 bei 1,44 Prozent.
Ob und wie sich der Abschluss tatsächlich auf den Erhalt von Arbeitsplätzen auswirkt, bleibt offen. „Jede Lohnerhöhung sichert Einkommen, aber nicht Arbeitsplätze“, sagte Knill. Die gesamte Metallindustrie musste heuer bereits 6000 Mitarbeiter abbauen. Der MetallerKV dient als Richtschnur für weitere Lohnverhandlungen, die nächsten finden bereits im Oktober statt.