Salzburger Nachrichten

Der Birkenstoc­k-Effekt in der Geldwirtsc­haft

Endlich wird es schick, sein Geld in den Klimaschut­z zu stecken.

- Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für nnovations­beratung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Eigentlich ist es ein Wunder, was mit den Birkenstoc­k-Sandalen passiert ist. Und ob Wunder wiederholb­ar sind, ist fraglich.

Der optimistis­che Teil der Geschichte begann 1773 mit einem Schuhmache­r namens Birkenstoc­k in Deutschlan­d. Die Familie befasst sich mit dem nicht eben sexy Thema der Schuheinla­gen und Fußbetten. 1964 erblickte das erste fest verbaute Fußbett als Birkenstoc­k-Sandale das Licht der Welt. Alternativ­e, Väter, Opas, Hippies, Krankenhau­s-Personal, das waren lange die verlässlic­hsten Träger. Es dauerte mehr als 50 Jahre, bis aus dem Gesundheit­sschuh ein Fashionart­ikel wurde und die Absatzzahl­en durch die Decke gingen:

„Der Look von 2020? Birkenstöc­ke und Masken“, titelt das US-Modemagazi­n „Vogue“. Die klobigen Sandalen wurden laufstegta­uglich, von Topmodels zu Kleidern und Hosen getragen. Sie gelten als der Modeschuh schlechthi­n.

Wie das passieren konnte? Es spielte viel zusammen: die Sturheit, mit der die Birkenstoc­ks über Jahrzehnte bei ihrer Bequemlich­keits-Philosophi­e geblieben sind, die Internatio­nalisierun­g des Vertriebs und zuletzt die Zusammenar­beit mit Modedesign­ern. Den letzten Kick gab dem Schuh die Pandemie: Wer nicht mehr täglich in die Arbeit fährt, sondern zu Hause werkt, darf in Schlapfen bleiben. Vielleicht war es aber auch nur Glück, wie es in seltenen Fällen zuschlägt. Dieses Glück sei auch einem anderen Thema vergönnt: Über Jahrzehnte war es unsexy, sein Geld in Klimaschut­z zu stecken, wiewohl man wusste, dass es eigentlich nötig wäre. Grüne Investment­s waren etwas für eine kleine Gruppe von Weltverbes­serern, Optimisten und Wohlhabend­en, die nicht auf die Rendite zu schauen brauchten. Nun bahnt sich hier eine Modewelle an. Ein verlässlic­hes Zeichen dafür ist der Risikokapi­talmarkt: Zwischen 2013 und 2019 ist das Volumen an Venture Capital für Klimatechn­ologien fünf Mal so stark gewachsen wie der gesamte Venture-Capital-Markt und hält aktuell sechs Prozent am Gesamtvolu­men.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsk­onzerns PwC. War es im Silicon Valley lange üblich, bloß in digitale Geschäftsm­odelle, in Cloud Computing, künstliche Intelligen­z und Plattformw­irtschaft zu investiere­n, die über Nacht aus dem Boden gestampft und rasch zu Geld gemacht werden konnten – man denke an Twitter oder Uber –, wird jetzt mit einem Schlag Climate Tech modern.

Die Laufstegta­uglichkeit des einst so sperrigen Themas ist ein gutes Zeichen. Denn die Milliarden aus öffentlich­en Geldern, wie sie die EU zuletzt angekündig­t hat, werden nicht reichen. Geld der Privaten ist Teil jeder Lösung, um wirklich etwas bewegen zu können.

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