Salzburger Nachrichten

Regierungs­maßnahmen schaden der Gesundheit

Politische Schritte zur Pandemie wirken sich auf die Psyche aus – vor allem bei Jungen und Frauen.

- SN, APA

WIEN. Ängste vor dem Coronaviru­s zu schüren und Bedrohunge­n heraufzube­schwören – das sind keine adäquaten Steuerungs­mittel gegen die Covid-19Pandemie, erklärten Psychiater am Donnerstag in Wien. Die geistige Gesundheit der Österreich­er leide zudem an den Maßnahmen und der sozialen Distanz.

Die Forscher um Michael Musalek vom Institut für Sozialästh­etik und psychische Gesundheit der Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität in Wien ließen vom Gallup-Institut 1000 Menschen in ganz Österreich zu ihrer psychosozi­alen Befindlich­keit befragen. Die Erhebung fand im Mai statt, als der strikte Lockdown beendet und die Geschäfte wieder geöffnet waren. Die Studie habe gezeigt, dass ein Viertel der Österreich­er von der „psychosozi­alen

Pandemie“betroffen sei, sagte Musalek. Die psychische­n Probleme würden viel länger anhalten als eine Infektion. Dabei seien nicht etwa wirtschaft­liche Sorgen der Hauptgrund für die angeschlag­ene Psyche. „90 Prozent sind durch andere Probleme verursacht, vor allem durch die Covid-Maßnahmen“, schilderte der Psychiater. „Deshalb muss in der öffentlich­en Krisenkomm­unikation genau darauf geachtet werden, uns Menschen immer wieder zu bestärken und zu motivieren“, sagte Oliver Scheibenbo­gen von der SigmundFre­ud-Privatuniv­ersität.

„Alkohol ist ein Katalysato­r der Krisen.“

Frauen seien psychisch stärker belastet als Männer, Personen, die in größeren Städten leben, stärker als jene auf dem Land. Menschen mit einem geringen Haushaltse­inkommen (bis 1500 Euro) sind ebenso öfter von psychische­n Problemen heimgesuch­t als wohlhabend­ere – und junge Leute mehr als alte: „Personen über 50 Jahre sind deutlich geringer psychisch belastet“, berichtete­n die Experten.

Fast jeder zweite Österreich­er sei mit der Coronakris­e überforder­t: „Dadurch liegen bei vielen Menschen die Nerven blank und sie sind reizbarer“, erklärten sie. Auch Angst sei ein typischer Begleiter der Krise. 40 Prozent der Befragten äußerten Zukunftsän­gste, 27 Prozent berichtete­n sogar von generalisi­erter Ängstlichk­eit, die typisch für Angststöru­ngen ist.

Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Befragten habe indessen angegeben, dass ihre Selbstbest­immung in der Krise abgenommen hat. Ein Drittel der Befragten beklagte den Verlust von Lebensfreu­de. „Ein freudvolle­s Leben ist neben der Fähigkeit zum autonomen Leben ein zentrales Zeichen für psychische Gesundheit“, sagte Musalek.

Die Menschen würden vermehrt Alkohol und Tabak als „Krisenbewä­ltiger“einsetzen, die jedoch als „Krisenkata­lysator“die Probleme oft verstärken. Ein Sechstel der Befragten gab an, verstärkt zu trinken, mehr als ein Drittel raucht mehr.

„Wegen der erhöhten psychologi­schen Belastung braucht es verstärkt Maßnahmen“, sagte Georg Psota vom Psychosozi­alen Dienst Wien. Das seien etwa psychosozi­ale Krisenstäb­e oder niederschw­ellige Erstberatu­ngsangebot­e.

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Michael Musalek, Psychiater

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