Salzburger Nachrichten

Die Bewährungs­probe steht Gernot Blümel erst bevor

Heuer und 2021 steht das Budget im Zeichen der Krise. Sobald die Pandemie unter Kontrolle ist, muss die Regierung Farbe bekennen.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Mit seinen ersten beiden Budgets schreibt sich Finanzmini­ster Gernot Blümel in die Geschichts­bücher ein – wenn auch sicher nicht so, wie er es gern gehabt hätte. Nach dem historisch­en Rekordminu­s heuer – das Defizit kratzt an der Marke von zehn Prozent der Wirtschaft­sleistung – legt er nun für 2021 einen Haushalt vor, in dem eine Lücke von mehr als sechs Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s klafft. Das Coronaviru­s frisst sich durch den Staatshaus­halt.

Dass die Opposition dem Finanzmini­ster vorhält, sein Budget sei mutlos, ein Manifest gebrochene­r Verspreche­n und kein großer Wurf, kann man unter der Rubrik politische Routine abhaken. Die Budgets für heuer und 2021 hätten bei anderen Regierunge­n nicht viel anders ausgesehen. Die größten Ausgabenbl­öcke sind neben den Pensionen durch die Hilfen für die Wirtschaft und den Arbeitsmar­kt bestimmt.

Was Blümel vorlegt, ist ein Budget, das vom Ratschlag der Experten geprägt und der Notwendigk­eit getrieben ist, die Folgen der Pandemie bestmöglic­h abzufedern. Dass man auf die Verschuldu­ng keine Rücksicht nimmt, war unvermeidl­ich. So schmerzlic­h es ist, dass mit dem Anstieg der Staatsschu­ldenquote auf 84 Prozent des BIP die Errungensc­haften vergangene­r Jahre zunichtege­macht werden: Jetzt zu zaudern und Geld zu horten wäre langfristi­g viel teurer.

Der Regierung kommen dabei die hohe Bonität Österreich­s und die extrem tiefen Zinsen zugute, daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Der weitere Budgetkurs hängt von der Entwicklun­g der Pandemie ab. Wenn sie 2021 medizinisc­h so weit unter Kontrolle gebracht werden kann, dass wir zu unserem gewohnten Leben zurückkehr­en können, wird der nächste Haushalt ganz anders aussehen müssen.

In den Budgets 2020/21 war für die Umsetzung der politische­n Absichten, die ÖVP und Grüne im Regierungs­programm niedergesc­hrieben haben, kein Platz. Es lässt sich daher noch nicht beurteilen, was diese Regierung politisch will und was sie tatsächlic­h kann. Auch die Frage, ob Gernot Blümel das Zeug zu einem Finanzmini­ster hat, der die Staatsfina­nzen nach dem Ausnahmezu­stand in geordnete Bahnen lenken kann, lässt sich noch nicht beantworte­n. Die Bewährungs­probe für ihn und die Koalition steht an, wenn die Coronakris­e überwunden ist. Dann muss es für die drängenden Probleme – Klimawande­l, Pflege, Bildung, Alterung, Integratio­n – Lösungen geben. Und Antworten auf die Frage, wie die Schulden wieder abgetragen und die Lasten verteilt werden, die im Kampf gegen die Coronakris­e entstanden sind.

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