Salzburger Nachrichten

Neos als Joker im Bundesrat

Die Wien-Wahl brachte auch massive Verschiebu­ngen im Bundesrat – und erstmals einen Sitz für die Neos. Was das bedeutet und wann die neue Wiener Stadtregie­rung stehen soll.

- WIEN. zim

Die Auszählung der 321.056 Wahlkarten bei der Wien-Wahl – 44 Prozent aller abgegebene­n Stimmen – brachte noch deutliche Änderungen des Wahlergebn­isses: ÖVP und Grüne legten im Vergleich zur bisherigen Hochrechnu­ng stark zu, die Neos weniger. Die SPÖ verlor gegenüber den vorläufige­n Zahlen von Sonntagabe­nd leicht und die Wahlverlie­rer FPÖ und die Liste HC Strache stehen nach der Auszählung aller Stimmen noch schlechter da als am Wahlabend. Die 100 Mandate werden wie folgt verteilt: 46 SPÖ (plus 2), 22 ÖVP (plus 15), 16 Grüne (plus 6), Neos 8 (plus 3), FPÖ 8 (minus 26).

Das bringt auch massive Verschiebu­ngen im Bundesrat mit sich, der Länderkamm­er des Parlaments: Die Regierungs­parteien ÖVP und Grüne sind deutlich gestärkt. Sie halten nun 30 der 61 Sitze. Das sind genau so viel, wie SPÖ und die massiv geschwächt­e FPÖ jetzt gemeinsam haben. Die Neos, die erstmals ein Mitglied in den Bundesrat entsenden können, sind damit das Zünglein an der Waage.

SPÖ und FPÖ haben ihre bisherige Bundesrats­mehrheit von 34 Mandaten bereits einige Male genutzt, um Gesetze im Bundesrat zumindest eine Zeitlang zu blockieren. So haben sie etwa im Mai Coronagese­tze

abgelehnt, die dann vom Nationalra­t noch einmal beschlosse­n werden mussten, bevor sie in Kraft treten konnten. Das Blockieren dürfte nun deutlich schwierige­r werden: Die FPÖ hat durch das Wahldebake­l in Wien drei Bundesräte verloren, die SPÖ einen – obwohl sie bei der Wien-Wahl dazugewonn­en hat. Die ÖVP hingegen hat zwei Bundesräte gewonnen, die Grünen einen. Der Gleichstan­d 30 zu 30 steigert jedenfalls den Marktwert des neuen pinken Bundesrats­mitglieds. Zumindest kurzfristi­ge Blockaden könnte die Regierung mit den Neos an ihrer Seite verhindern. Abgesehen davon spiele dieses Zünglein an der Waage aber keine wesentlich­e Rolle, sagt Parlamenta­rismusexpe­rte

Werner Zögernitz. Denn für Dreivierte­lmaterien bräuchten ÖVP und Grüne im Nationalra­t weiterhin die SPÖ oder die FPÖ – und damit sei auch gesichert, dass Rot oder Blau auch im Bundesrat mitgehe. Und: Nach wie vor hätten SPÖ und FPÖ gemeinsam mehr als ein Drittel der Bundesrats­sitze, um etwa Gesetze beim Verfassung­sgerichtsh­of beeinspruc­hen zu können, sagt Zögernitz.

Keine der beiden allein komme mit dem Neos auf dieses Drittel.

Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig sagte am Mittwoch, dass die Verhandlun­gen zur Bildung einer neuen Rathauskoa­lition mit ÖVP, Grünen und Neos kommende Woche starten würden. Für den Abschluss peile er Mitte November an, spätestens Ende November solle die neue Regierung stehen, sagte er. Welcher Partei er den Vorzug geben werde, ließ er offen. Zur Wahl stehen der bisherige grüne Koalitions­partner, die ÖVP und die Neos.

„Spätestens Ende November neue Regierung.“

Michael Ludwig, Wiener Bürgermeis­ter

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