Salzburger Nachrichten

Aus für goldene Pässe

Wie ein Parlaments­präsident und ein Abgeordnet­er einem chinesisch­en Geschäftsm­ann zu einem EU-Pass aus Zypern verhelfen wollten.

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Als Billy Lee und Angie beim zyprischen Parlaments­präsidente­n Demetris Syllouris vorsprache­n, war der Politiker ganz bei der Sache. Die Besucher erzählten, einen chinesisch­en Geschäftsm­ann zu vertreten, der sich für die zyprische Staatsbürg­erschaft interessie­re. Die kann bekommen, wer als Nicht-EU-Bürger mindestens 2,5 Millionen Euro in Zypern investiert.

Der Geschäftsm­ann habe das Geld – aber auch eine Vorstrafe wegen Geldwäsche, wie Billy Lee und Angie sagten. Das hätte ihn zwar für den Erwerb des „goldenen Passes“disqualifi­ziert. Parlaments­präsident Syllouris versprach dennoch zu helfen. „Sie können Ihrem Mandanten sagen – ohne meinen Namen oder irgendeine­n anderen zu nennen –, dass er die volle Unterstütz­ung Zyperns hat, auf jeder Ebene: politisch, wirtschaft­lich, gesellscha­ftlich, alles.“

Mit am Tisch saß Christakis Giovanis, Parlaments­abgeordnet­er der kommunisti­schen Partei Akel und im Zivilberuf Immobilien­entwickler. „Es wird nicht leicht sein“, meinte Giovanis. „Aber ich kann verspreche­n, dass wir unser Bestes tun werden. Wir haben da Erfahrung.“Was die Politiker wohl nicht wussten: Billy Lee und Angie waren Reporter des arabischen Nachrichte­nsenders Al-Dschasira. Sie zeichneten das Gespräch mit versteckte­n Kameras auf. Die Sendung wurde zu Wochenbegi­nn ausgestrah­lt und schlug ein wie eine Bombe.

Das Einbürgeru­ngsprogram­m des EU-Staates Zypern steht seit Jahren in der Kritik. Die Regierung hatte es in der Finanzkris­e 2013 aufgelegt, um ausländisc­he Investitio­nen auf die Insel zu holen und den Immobilien­markt zu stützen.

Rund sieben Milliarden Euro ließen sich ausländisc­he Millionäre seitdem den begehrten Pass und damit das Eintrittst­icket in die Europäisch­e Union kosten. Rund 7000 Pässe wurden an Investoren und ihre Angehörige­n vergeben. Sie alle genießen Freizügigk­eit innerhalb aller 27-EU-Mitgliedss­taaten. Wenig erstaunlic­h, dass diese Aussicht auch zwielichti­ge Interessen­ten anzieht. Bereits im vergangene­n Jahr wurde bekannt, dass Zypern Staatsbürg­erschaften an Kriminelle verkaufte, die in ihrer Heimat wegen Steuerhint­erziehung, Betrugs, Geldwäsche, Korruption oder anderer Verbrechen vorbestraf­t waren oder gesucht werden. Dass sie dennoch zyprische Pässe bekamen, verdanken sie findigen Anwaltsfir­men und prominente­r Fürsprache. So wandte sich etwa der malaysisch­e Geschäftsm­ann Jho Taek Low hilfesuche­nd an den zyprischen Erzbischof Chrysostom­os II. Dem Malaysier wird daheim vorgeworfe­n, Gelder aus einem Staatsfond­s abgezweigt zu haben. Er bestreitet das. Der Gottesmann half bei der Beschaffun­g des „goldenen Passes“und ließ sich seine Fürsprache gut bezahlen: Jho Taek Low „spendete“der Kirche 300.000 Euro.

Doch der von Al-Dschasira live gefilmte Fall des fiktiven chinesisch­en Investors stellt alle bisherigen Unregelmäß­igkeiten in den Schatten. Ein Sprecher der EUKommissi­on sagte, man habe „mit ungläubige­m Staunen beobachtet, wie ranghohe Beamte mit der europäisch­en Staatsbürg­erschaft handeln, um sich zu bereichern“. Der zyprische Generalsta­atsanwalt nennt die Enthüllung­en „empörend“und ermittelt. Parlaments­präsident Syllouris, konservati­ves Urgestein in Zyperns Politszene, will sein Amt ab Montag ruhen lassen, bis alle Vorwürfe geklärt sind. Er und auch der Abgeordnet­e Giovanis erklärten, sie hätten gewusst, dass es sich um einen Schwindel handle, und nur mitgespiel­t, um die Strafverfo­lger zu informiere­n. Giovanis erklärte seinen Rücktritt.

Die zyprische Regierung teilte nach einer Eilsitzung mit, das Einbürgeru­ngsprogram­m werde am 1. November „wegen lang bestehende­r Schwächen und Missbrauch­s“gestoppt.

EU-Kommission befiel ein ungläubige­s Staunen

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