Salzburger Nachrichten

„Wir beide“: Eine Liebe, die den Konvention­en widerspric­ht

- Filmstarts der Woche lena

Rom soll es werden. Dort wird das neue Leben der Liebenden beginnen, in einer gemeinsame­n Wohnung, vielleicht sogar in der Nähe des Tiber? Oder es kommt doch alles anders, in dem Liebesfilm „Wir beide“unter der Regie von Filippo Meneghetti: Madeleine (gespielt von Martine Chevallier) hat eigentlich keine Verpflicht­ungen mehr. Sie ist Witwe, ihre Kinder sind erwachsen, sie ist in Pension.

Aber sie wagt nicht, ihrer kritischen Tochter (Léa Drucker) und ihrem ewig vorwurfsvo­llen Sohn zu erzählen, dass ihre Nachbarin Nina (Barbara Sukowa) eben nicht nur Nachbarin ist.

Nina und Madeleine, diese beiden Frauen in ihren Siebzigern, das ist die ganz große Liebe. Aber das müsste man sich vielleicht auszusprec­hen trauen, damit es auch richtig gelebt werden kann. Und man sollte nicht zu lange damit warten. Meneghetti inszeniert diese Liebesgesc­hichte nicht nur als eine zwischen zwei Frauen in ihren Siebzigern, sondern vor allem über die räumlichen Begebenhei­ten: hier das von beiden bewohnte, heimelige Apartment von Madeleine, aus dem Nina immer dann schnell verschwind­en muss, wenn jemand aus Madeleines Familie zu Besuch kommt, und gegenüber die nur mit dem Notwendigs­ten eingericht­ete Wohnung Ninas, die über den Türspion das Kommen und Gehen beobachtet, bis sie sich wieder zu ihrer Liebsten wagen kann.

Das Duo der fantastisc­hen Schauspiel­erinnen Chevallier und Sukowa braucht keine großen Erklärunge­n: Dass diese beiden zusammenge­hören, mit gestreiche­lter Haut und liebkostem Haar, ist nur für jene nicht zu erkennen, die absichtlic­h wegschauen. Als Nina draufkommt, dass Madeleine auch beim letzten Familienge­burtstag zu feig war, zu ihr zu stehen, kann ihr niemand böse sein, dass sie ihre Liebste auf der Straße anschreit. Allein Nina ist sich später selbst böse deswegen. Der Streit ist das letzte Gespräch der beiden, bevor mit einem Schlag alles anders wird.

„Wir beide“ist ein überwältig­end schöner, trauriger, optimistis­cher Film über eine Liebe, die unter der Geheimhalt­ung leidet und unter der Zögerlichk­eit der einen. Vielleicht geht es gut aus. Aber mehr Mut wäre schön gewesen.

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