Dänemark debattiert nun auch über #MeToo
Mit Verzögerung erfasst die Diskussion in dem Land eine Branche nach der anderen. Sogar die Politik blieb davon nicht verschont.
Es begann mit einer Fernsehmoderatorin, setzte sich über andere Branchen fort und wirbelte letztlich die dänische Politik durcheinander: In Dänemark begann drei Jahre nach den USA eine neue #MeToo-Debatte über die unangemessene Behandlung von Frauen. Seit Wochen wird ein Vorfall nach dem anderen publik.
„Ich bin ziemlich sicher, dass du mir gerade jetzt zuschaust. Du weißt selbst, wer du bist.“Das sagte die beliebte Moderatorin Sofie Linde vor gut eineinhalb Monaten auf einer Comedy-Gala in Kopenhagen in die Kamera. Zuvor hatte sie die Bombe platzen lassen: Als sie mit 18 Jahren gerade beim dänischen Rundfunksender DR begonnen habe, habe sie eine große TV-Persönlichkeit zur Seite genommen und zum Oralsex aufgefordert. „Ansonsten ruiniere ich verdammt noch mal deine Karriere“, habe die Person gesagt, erklärte Linde. Wenn sich eine prominente Person öffne, dann werde damit lernpsychologisch die beste Voraussetzung geschaffen, dass andere ihrem Beispiel folgen, sagt die Psychologin Nadia Sosnowsky-Waschek von der SRH Hochschule Heidelberg.
Das ist auch in Dänemark passiert: Seit Lindes Rede enthüllten viele Frauen, von Sexismus und Belästigung betroffen zu sein. „Das ist einmal passiert. Das passiert immer noch“, schrieben 701 Frauen aus der Medienbranche in einem Brief an Linde. Darin berichten sie von unpassenden Bemerkungen, schmierigen Nachrichten und weiterem grenzüberschreitenden Verhalten. Es folgten eine Erklärung von Frauen aus der Musikbranche und ähnliche Schreiben von Ärztinnen, Juristinnen und Schauspielerinnen. 689 Frauen und Männer aus Dänemark unterzeichneten ein E-Mail, in dem von Vorfällen an Universitäten berichtet wird.
Über #MeToo wurde in Dänemark anfangs weniger stark diskutiert als anderswo. Einer Studie zufolge wurde auch weniger darüber berichtet als etwa in Schweden. Dort hatten Vorwürfe gegen den Kulturschaffenden Jean-Claude Arnault nicht nur zu dessen Verurteilung wegen Vergewaltigung geführt, sondern in der Folge auch dazu, dass 2018 zunächst kein Literaturnobelpreis vergeben wurde.
Doch nun hat die Debatte auch die dänische Politik erreicht: Vorwürfe der Abgeordneten Lotte Rod führten zum Rücktritt von Morten Østergaard, Parteichef der linksliberalen Radikale Venstre, die so ein Fehlverhalten stets angeprangert hatte. Er schrieb dazu auf Facebook unter anderem: „Ich bin kein Opfer einer wichtigen #MeToo-Debatte. Ich kann vielleicht hoffen, ein Sprungbrett für Veränderung zu sein.“
In Dänemark wurde weniger berichtet