Sporthandel ist auf Spurensuche
Schneeschuh statt Ski? Der Sporthandel bereitet sich auf einen anderen Winter vor – auch im Verleih.
„Mit Termin in den Skiverleih.“
Thorsten Schmitz, Intersport Österreich
SALZBURG. 90 Prozent ausländische Skifahrer, 10 Prozent Österreicher: Geht es nach den nackten Zahlen im Skiverleih, müssten zahlreiche Stationen ernsthaft darüber nachdenken, im heurigen Winter erst gar nicht aufzusperren. „Aber Zittern ist ganz gefährlich“, erklärt der Salzburger Sporthändler Christoph Bründl. „Jegliche Panik und Angstmache lähmt.“30 Standorte, darunter 22 mit Verleihstation, zählt die Bründl-Gruppe, allein drei davon sind in Ischgl. Zwar habe man in der Vorbereitung auf die Saison auch Schließungen von Shops durchbesprochen, aber nur falls es Coronainfektionen geben sollte, erklärt Bründl. Und wenn keine Gäste kommen? „Dann müssen wir auch mit dem leben, und es lieben lernen.“
So romantisch wird der Winter für den Sportfachhandel freilich nicht werden. In den Skigebieten startet man schaumgebremst in die Saison. 490 statt sonst 550 Mitarbeiter werden es bei Bründl sein, das Angebot bei den Alpinski hat man zurückgeschraubt. Der Fokus liegt heuer auf „draußen sein“– allein mit sich und mit viel Abstand, auf Schneeschuhen, Langlaufski oder Tourenski, „da erwarten wir heuer eine dramatische Steigerung“, sagt Bründl. Das Coronavirus habe eines bewirkt: „Der Mix im Verleih ist bunter geworden.“Dennoch habe man auch einen WorstCase-Plan mit einem Minus von 30 bis 35 Prozent in der Schublade. „Wir sind auf alles vorbereitet.“
Im gesamten Sportfachhandel gehe man momentan von einem Umsatzrückgang von 20 Prozent für den kommenden Winter aus, sagt Branchensprecher Michael Nendwich. Wobei eben jene Gebiete, die einen hohen Ausländeranteil haben, wohl stärker leiden dürften. Das Inlandsgeschäft sieht Nendwich stabil – mit Steigerungspotenzial wie zuletzt im Sommer. „Wenn der Winter im Osten schneereich und kalt wird, könnte das einen Schub ergeben.“Dort, wo bei Sportarten schon ein hoher Individualisierungsgrad gegeben sei, könnte sich die Nachfrage weiter steigern – beim Winterwandern, Eislaufen oder Langlaufen. „Im stadtnahen
Bereich könnte das richtig boomen.“Auch die Nachfrage nach Skitagesausflügen sei im Osten Österreichs durchaus gegeben, „ob dann auch wieder mehr Ski gekauft werden, wenn wieder mehr gefahren wird, ist allerdings nicht klar“.
Auf einen Ausgleich zwischen gutem Geschäft im Osten und den zu erwartenden Einbrüchen im Westen hofft auch die IntersportGruppe.
Aus heutiger Sicht rechnet Österreich-Chef Thorsten Schmitz mit einem Minus von zehn bis 15 Prozent, „das ist allerdings situationselastisch, niemand weiß, wie es wirklich wird“. Nach dem Lockdown im Frühjahr habe man keinesfalls erwartet, dass sich das Geschäft derart gut entwickeln würde. Im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr erzielte die Intersport-Gruppe Österreich (mit Tschechien, Slowakei und Ungarn) einen Umsatz von 560 Mill. Euro, das ist ein Plus von 8,7 Prozent. Davon habe man knapp zwei Prozent Zuwachs auf der bestehenden Verkaufsfläche erzielt, den Rest durch Expansion. Outdoor, Ski und Fahrrad seien die stärksten Bereiche.
In den Intersport-Verleihstationen in Westösterreich hat man für heuer ein Minus von 20 bis 25 Prozent eingerechnet, „bis dahin kommen die Händler in kein Lagerrisiko“, sagt Schmitz. Einen Teil des Bestands habe man aus der verkürzten Vorsaison mitgenommen, „der
Austausch der Ski ist niedriger ausgefallen als sonst“. Die Verleihstationen selbst könnten heuer vermehrt „outdoor“aufgebaut werden, schon im Sommer hätten viele Filialen den Verkauf nach draußen verlagert. Gebuchtes Outfit werde kostenlos und kurzfristig stornierbar sein. Darüber hinaus werde es bei der Abholung Terminvergaben geben. „Es kann dann schon mal sein, dass man eine Stunde später auf der Piste ist, aber das muss man in Zeiten wie diesen in Kauf nehmen“, sagt Schmitz.
Die Unsicherheit im Coronawinter spürt man auch bei Atomic in Altenmarkt. Im Alpinsektor habe man, entsprechend der niedrigeren Order für den Verleih, um 15 bis 20 Prozent weniger produziert, erklärt Atomic-Chef Wolfgang Mayrhofer. Man habe jedoch genug Ware auf Lager, um nachliefern zu können, sollte das Geschäft anspringen. Bei Tourenski sei die Nachorder bereits gut angelaufen, betont Mayrhofer. „Wir sind okay unterwegs.“
Beim Skitourenspezialisten Dynafit konnte man sich bereits in den vergangenen fünf Jahren über jährliche Zuwächse von fünf bis zehn Prozent freuen. Bisher seien maximal zehn Prozent der Ware in den Verleih gegangen, sagt Irina Andorfer, Verkaufsleiterin für Österreich und Deutschland. „Heuer ist die Nachfrage hier definitiv gestiegen.“Mit eigenen Testcentern in den Skigebieten und vormontierten Sets will man Interessierten den Einstieg weiter erleichtern.
Ein Umsatzplus von fünf Prozent hat der österreichische Textilproduzent Löffler aus Ried im Innkreis in den ersten sechs Monaten eingefahren. Demnächst kommt eine neue Skitourenlinie auf den Markt. Noch aber sei das Thema Rad nicht abgeschlossen, sagt Löffler-Chef Otto Leodolter. 25 bis 30 Prozent hat man heuer beim Rad-Outfit zugelegt. Und derzeit verlange der Handel noch verstärkt nach warmen Radtrikots und Regenschutz statt nach Skiunterwäsche.