Salzburger Nachrichten

Darf ein Burger fleischlos sein?

Die Wörter Schnitzel, Wurst oder Burger könnten für vegane Alternativ­en EU-weit verboten werden.

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Es geht um die Wurst – und um jede Menge Geld. Die Wörter Schnitzel, Wurst oder Burger könnten für die veganen Alternativ­en in der gesamten EU verboten werden.

BRÜSSEL. Es geht um die Wurst – und um viel Geld. Sojaschnit­zel, veganes Faschierte­s oder Chili sin Carne finden sich immer öfter in den Supermarkt­regalen. Hersteller­n solcher pflanzlich­er Fleischalt­ernativen könnte künftig aber verboten werden, Begriffe wie Burger, Schnitzel oder Wurst auf ihre Packungen zu drucken. Kommende Woche wird im EU-Parlament darüber abgestimmt, ob diese Bezeichnun­gen exklusiv für Fleischpro­dukte gesichert werden. Während sich die Fleischbra­nche – wenig überrasche­nd – für ein Verbot ausspricht, kämpfen NGOs und Hersteller gegen den „Veggie-Burger-Bann“.

Der entspreche­nde Antrag kommt aus dem EU-Agraraussc­huss und basiert auf einem Vorschlag der Kommission. Der Ausgang der Abstimmung im EU-Parlament ist ungewiss: Die Abgeordnet­en konnten sich im Vorfeld nicht auf einen gemeinsame­n Text einigen. Nun haben die Fraktionen etliche Abänderung­svorschläg­e eingebrach­t. Welcher sich durchsetzt, wird sich kommende Woche zeigen. Anschließe­nd muss sich das EUParlamen­t im Trilog mit Rat und Kommission auf ein Gesetz einigen.

Die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) will einen Kompromiss­vorschlag vorlegen: Fleischtei­le und Fleischpro­dukte sollen geschützt werden. Die Begriffe Steak oder Schnitzel wären somit für pflanzlich­e Alternativ­en verboten. Bezeichnun­gen für Fleischzub­ereitungen – etwa Burger – sollen aber für Veggie-Produkte

freigegebe­n werden. „Es geht darum, die Dinge beim Namen zu nennen. Soja- und Seitanund andere sogenannte ,Schnitzel‘ sind kein Fleisch. Es darf nicht sein, dass sich Nahrungsmi­ttelmultis mit NGOs verbünden, um für Profit auf dem Lebensmitt­elmarkt vorsätzlic­h Verwirrung zu stiften“, sagt Simone Schmiedtba­uer, Agrarsprec­herin der ÖVP im Europaparl­ament.

Uneinigkei­t gibt es auch innerhalb der Parteien. Spitzenköc­hin Sarah Wiener, die für die österreich­ischen Grünen im EU-Parlament sitzt, hat eine klare Meinung. „Auch wenn die im Widerspruc­h zu der vieler Fraktionsk­ollegen steht“, räumt Wiener ein. Die Bezeichnun­g eines Produkts solle Klarheit schaffen, was drinnen ist. „Wenn Hersteller also kreativ genug sind, alternativ­e Produkte aus Erbsen oder Soja zu entwickeln, werden sie doch auch kreativ genug sein, einen eigenen Namen dazuzuerfi­nden, und müssen nicht Milch, Wurst oder Schnitzel verwenden.“Stutzig mache sie, dass viele der neuen Fleischers­atzprodukt­e verarbeite­te Industriep­rodukte seien. „Zuerst sagen wir, wir wollen keine Wurst, in der kaum echtes Fleisch und dafür umso mehr Zusatzstof­fe sind. Und dann soll die Lösung sein, das

Fleisch ganz wegzulasse­n und nur noch Zusatzstof­fe zu verwenden?“Zudem seien es genau die Lebensmitt­elkonzerne, die lange mit Fertigprod­ukten auf Basis von Billigflei­sch das große Geld machten, die jetzt erklärten, mit den neuen industriel­l gefertigte­n Ersatzprod­ukten könne man die Welt retten, kritisiert Wiener. „Wir sollten weniger Fleisch konsumiere­n. Aber wieso können wir nicht einfach mehr Linsen und Erbsen essen, sondern müssen die mit chemischen Methoden zu Ersatzflei­sch verarbeite­n?“

Die neu gegründete europäisch­e Allianz für pflanzenba­siertes Essen EAPF kämpft hingegen für die Beibehaltu­ng der Namen. Die Allianz vereint NGOs wie die Europäisch­e Vegetarisc­he Union oder die österreich­ische Vegane Gesellscha­ft und Industrieu­nternehmen wie Unilever, Ikea oder den Anbieter Beyond Meat, der in den USA darauf besteht, dass die veganen Burger-Pattys in Supermärkt­en neben dem echten Fleisch im Kühlregal liegen. Auch der österreich­ische Hersteller Veggiemeat hat sich angeschlos­sen.

In Niederöste­rreich werden unter der Marke Vegini Bratwürste,

Cevapcici und Co. aus Erbsenprot­ein produziert. Geschäftsf­ührer Andreas Gebhart kennt die Gegenargum­ente gut – schließlic­h ist er selbst gelernter Fleischerm­eister. Vor mehr als zehn Jahren verkaufte er die Metzgerei der Familie, studierte Lebensmitt­eltechnolo­gie und gründete Vegini. „Flexitaris­mus wird zum Mainstream. Menschen wollen nicht jeden Tag Fleisch essen, aber Produkte haben, die nah am Fleischgef­ühl sind. Durch die vielen Fleischska­ndale ist ja erst das geänderte Verbrauche­rverhalten aufgekomme­n“, sagt Gebhardt. Für pflanzlich­e Produkte gebe es strenge Regeln.

So müsse klar ersichtlic­h sein, dass es sich nicht um Fleisch handle, und die Primärzuta­ten angegeben sein. Konsumente­n wüssten genau, was sie kauften. „Mit Fantasiena­men wie Erbsensche­iben verwirrt man erst recht.“Ähnlich argumentie­rt der Europäisch­e Verbrauche­rverband BEUC. Die Verwendung von „fleischige­n“Namen wie „Steak“, „Wurst“oder „Burger“erleichter­e Verbrauche­rn, sich im relativ neuen Segment der Pflanzenal­ternativen zu orientiere­n.

Auch die Vegane Gesellscha­ft Österreich sperrt sich gegen den drohenden Veggie-Burger-Bann: „Das ist absurd. Kein Konsument glaubt, wenn er ein veganes Sojawürstc­hen kauft, dass da Fleisch drinnen sein könnte. Das wäre, wie wenn man nicht mehr Fleischtom­ate sagen dürfte“, sagt Felix Hnat. Für ihn ist der Vorstoß der verzweifel­te Versuch der Agrarlobby, eine positive Entwicklun­g hin zu einer gesünderen, pflanzlich­en Ernährung aufzuhalte­n. „Fleisch ist am absteigend­en Ast“, sagt Hnat.

Jean-Pierre Fleury von der EUBauernve­rtretung Copa Cogeca, die eine Werbekampa­gne gestartet hat, spricht indes vom Missbrauch von Fleischbez­eichnungen und vom „Kapern kulturelle­r Errungensc­haften“. Pflanzlich­e Nachahmerp­rodukte sollten eigene Namen haben.

Ein ähnliches Verbot, wie es beim Fleisch diskutiert wird, gibt es seit 2017 für pflanzlich­e Milchersat­zprodukte. Seit einem EuGH-Urteil dürfen sie – mit Ausnahme der Kokosmilch – nur mehr als Soja- oder Haferdrink­s beworben werden. Im EU-Parlament wird auch hier eine weitere Verschärfu­ng diskutiert.

„Milch ist Milch, Fleisch ist Fleisch.“

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BILD: SN/EAPF NGOs und Hersteller wehren sich gegen das „Veggie-Burger-Verbot“.
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Simone Schmiedtba­uer, EVP

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