Im Banne der zweiten Welle
Die Corona-Ampel schaltete erstmals auf Rot. Das hat Auswirkungen auf die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Schärfere Restriktionen stehen bevor.
WIEN. Unkontrollierte Ausbreitung von Clustern – Sehr hohe Anzahl positiver Tests – Sehr hohe Auslastung von Intensivbetten – Testkapazitäten am Limit: Diese Faktoren müssen zusammentreffen, damit die Corona-Ampel in einem Bezirk auf Rot geschaltet wird. Die in ganz Österreich steigenden Coronazahlen führen dazu, dass das nun erstmals seit Beginn der Pandemie der Fall ist. Die Ampelkommission erklärte am Donnerstag vier Bezirke zu roten Zonen. Dabei handelt es sich um Innsbruck (Stadt), Innsbruck (Land), Wels (Stadt) in Oberösterreich und den Tennengau im Bundesland Salzburg.
Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwochabend die Bundesländer in einem Brief aufgefordert hatte, schärfere Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Coronapandemie zu ergreifen, ging es Donnerstag Schlag auf Schlag. Bereits um 10.15 Uhr kündigte der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) an, dass über die Gemeinde Kuchl die Quarantäne verhängt wird und dass Jugendliche ab der 9. Schulstufe im mehreren Bezirken ins Homeschooling geschickt werden, auch für die Gastronomie gab es Einschränkungen (siehe Lokalteil).
Die Maßnahmen in Salzburg waren eng mit den Bundesländern Tirol und Vorarlberg abgestimmt. Auch dort steigt die Zahl der Personen, die mit dem Virus infiziert sind. Der Tiroler LH Günther Platter (ÖVP) kündigte am Donnerstagabend an, dass in Bezirken mit hohen Infektionszahlen ab der neunten Schulstufe auf Distance Learning umgestellt wird. Außerdem gibt es strengere Sicherheitsmaßnahmen für Altenheime und Spitäler, in der Gastronomie gilt eine Registrierungspflicht für Gäste, Veranstaltungen werden beschränkt.
Auch Vorarlberg zieht aus den steigenden Infektionszahlen Konsequenzen. Wie die Landesregierung am Donnerstag bekannt gab, wird die vorverlegte Sperrstunde in der Gastronomie (22 Uhr) nicht wie ursprünglich erwogen wieder nach hinten verlegt, sondern beibehalten. Auch die Veranstaltungsregeln, die schon bisher strenger waren als jene in Salzburg und Tirol, bleiben aufrecht. Somit dürfen sich – bei zugewiesenen Sitzplätzen – in geschlossenen Räumen nur 250, im Freien maximal 1000 Personen versammeln. Auch der Vorarlberger Landtag erwägt nach dem Auftreten mehrerer Coronainfektionen unter den Abgeordneten weitere Sicherheitsmaßnahmen. In Oberösterreich beriet die Landesregierung erst am Abend mit Experten über die Coronasituation. Fix schien, dass in der Gastronomie eine Registrierung der Gäste eingeführt wird. Außerdem soll der Schutz in den Altenund Pflegeheimen erhöht werden. Besuche sollen eingeschränkt werden.
Wie in Wiener Regierungskreisen zu hören ist, könnten auch Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Freitag neue Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie verkünden. Von einem neuerlichen bundesweiten Lockdown wie im Frühjahr könne aber keine Rede sein, erfuhren die SN. Denn laut Covid-Maßnahmengesetz darf ein Lockdown nur verhängt werden, „um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern“. Davon sei Österreich aber weit entfernt.
Bereits Donnerstagvormittag hatte der Kanzler in einer schriftlichen Stellungnahme an die APA „dringend“an die betroffenen Bundesländer appelliert, die Maßnahmen zu verschärfen. „Die Infektionszahlen steigen in ganz Österreich und erreichen in mehreren Bundesländern ein sehr besorgniserregendes Ausmaß“, heißt es in dieser Stellungnahme, und weiter: „Es muss allen im Land klar sein: Die Lage ist ernst. Eine Neuinfektionsrate wie z. B. in unserem Nachbarland Tschechien führt zu fatalen Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmen, bringt das Gesundheitssystem
an die Kapazitätsgrenzen und verursacht de facto einen zweiten Lockdown.“Daher liege es an den Bundesländern, neue Maßnahmen zu setzen. An „alle Menschen im Land“appellierte Kurz, „die Lage ernst zu nehmen und die Maßnahmen mitzutragen“. Die kommenden Wochen würden entscheiden, „ob wir die Ausbreitung des Virus verlangsamen und eindämmen können oder ob die Coronapandemie noch viel größere Schäden für das Gesundheitssystem, unsere Arbeitsplätze und die Unternehmen im Land verursacht“.
Die ursprünglich kolportierte Einstufung von St. Pölten auf Rot löste im Rathaus der niederösterreichischen Landeshauptstadt Befremden aus. Die Stadt habe seit vergangener Woche „gute Maßnahmen gesetzt“, habe neun Personen plus einen Amtsarzt zum Contact Tracing abgestellt, könne die Cluster gut abgrenzen und habe eine Cluster-Aufklärungsquote von 80 Prozent, sagte ein Sprecher der Stadt den SN.