Salzburger Nachrichten

Eine Annahmeste­lle für Millionen Wahlstimme­n

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DORINA PASCHER

Eigentlich wird in den USA erst am 3. November gewählt – doch mehr als 17 Millionen Amerikaner­innen und Amerikaner haben bereits ihre Stimme für einen der Präsidents­chaftskand­idaten abgegeben. Wahlberech­tigt sind gut 233 Millionen US-Bürgerinne­n und -Bürger.

Im Bundesstaa­t Virginia kann bereits seit September gewählt werden. Schon 1,7 Millionen Wählerinne­n und Wähler haben laut dem unparteiis­chen Virginia Public Access Project ihre Stimme abgegeben. Das sind fast drei Mal so viele vorzeitig oder per Post abgegebene Wahlzettel wie bei der vergangene­n Wahl 2016.

Dass das Interesse an der Wahl groß ist, zeigten auch die langen Warteschla­ngen im Bundesstaa­t Georgia. Die Menschen standen laut Berichten der „Washington Post“zum Teil elf Stunden lang an, um ihre Stimme abzugeben – viele davon mit Abstand und einem Mund-Nasen-Schutz. Anstatt per Briefwahl zu wählen oder an einem anderen Tag wiederzuko­mmen, hatten viele das Warten als notwendig angesehen, um sicherzust­ellen, dass ihre Stimme gezählt wird.

Die Coronapand­emie ist für viele ein zusätzlich­es starkes Motiv, nicht erst auf den 3. November zu warten, um zu wählen. Behörden rechnen mit einer massiven Zunahme der Briefwahl. Denn Millionen von Amerikaner­n – insbesonde­re ältere oder kranke Menschen – wollen den Gang ins Wahllokal nicht riskieren. Bereits 2016 stimmten 33 Millionen Menschen, knapp ein Viertel aller Wähler, per Post ab – auch weil die Wahl traditione­ll an einem Dienstag, also einem Arbeitstag, stattfinde­t. Experten gehen davon aus, dass dieses Jahr aufgrund der Pandemie jede zweite Stimme per Post kommen könnte.

Das missfällt vor allem US-Präsident Donald Trump. Er verteufelt die Briefwahl als Einfallsto­r für Wahlmanipu­lationen. Bereits im August schrieb Trump auf Twitter: „Der größte Wahlbetrug in unserer Geschichte steht vor der Tür.“

Der Präsident kritisiert vor allem, dass in manchen Staaten – wie beispielsw­eise den demokratis­chen Hochburgen Kalifornie­n, Oregon und Washington – allen Wahlberech­tigten

automatisc­h Briefwahlu­nterlagen zugesendet werden. Mancherort­s würden Stimmzette­l an „Tote und Hunde“versendet, brüskiert sich Trump.

Experten, unter anderem der USSicherhe­itsbehörde FBI, weisen diese Warnungen jedoch zurück. Wahlbetrug in den USA sei selten. Denn selbst kleine Fälle können zu Gefängniss­trafen führen.

Trump sieht vor allem die Gefahr des Wahlbetrug­s durch die Demokraten. Unterdesse­n sorgte eine Aktion der Republikan­er in Kalifornie­n für Aufsehen: Die Partei hat inoffiziel­le Annahmeste­llen für die Briefwahl aufgestell­t. Die Partei wollte ihren eigenen Angaben zufolge republikan­ischen Wählerinne­n und Wählern eine sichere Abgabe ihrer Stimmen ermögliche­n. Aus Sicht der kalifornis­chen Behörden sind diese Briefkäste­n aber illegal. Das Sammeln von Stimmen darf nur von offizielle­n Behörden übernommen werden – und nicht von Parteien, die möglicherw­eise eigene Interessen verfolgen könnten.

Dass die Wahl alles andere als reibungslo­s abläuft, kann man auch in Texas sehen. Der republikan­ische Gouverneur Greg Abbott hatte Anfang Oktober angekündig­t, die Zahl der Briefwahl-Annahmeste­llen zu reduzieren. Laut Anordnung des Gouverneur­s hätte es damit pro Landkreis nur einen Briefwahlk­asten gegeben. Im texanische­n Bezirk Harris County hätte dies dazu geführt, dass 4,7 Millionen Wahlberech­tigte ihre Briefwahls­timme an einer einzigen Annahmeste­lle abgeben. Da das Postsystem der USA chronisch überlastet ist, setzen viele Menschen auf diese eigens eingericht­eten Annahmeste­llen.

Wenige Tage vor Wahlbeginn in Texas hat ein US-Bundesrich­ter die Anordnung des texanische­n Gouverneur­s nun aufgehoben. Am Dienstag, dem ersten Tag der Wahl, verzeichne­te der Bezirk Harris County einen Rekordandr­ang. Noch nie hätten mehr als 128.000 Menschen an einem einzigen Tag vor dem eigentlich­en Wahltag ihre Stimme abgegeben, teilte die zuständige Verwaltung mit.

Wie hoch die Wahlbeteil­igung insgesamt werden wird, ist schwer abzuschätz­en. Die starke Polarisier­ung zwischen den Trump-Anhängern und denen, die für seinen Herausford­erer Joe Biden stimmen, spricht für eine hohe Wahlbeteil­igung. Im historisch­en Vergleich hat sich immer erwiesen: Je kontrovers­er der Wahlkampf ablief, desto höher war die Wahlbeteil­igung.

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