Salzburger Nachrichten

„Es sind schwere Fehler passiert“

Kuchl wird zwei Wochen lang abgeriegel­t. Auf die Hiobsbotsc­haft reagieren viele gefasst, manche mit Unverständ­nis und einige durchaus selbstkrit­isch.

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KUCHL. Egal wohin man geht oder schaut, in Kuchl gibt es am Donnerstag nur ein Thema: Die Quarantäne der 7450-Einwohner-Gemeinde, die ab Samstag für mindestens zwei Wochen gilt.

Die Ursache für den „erhebliche­n Einschnitt“seien die stark gestiegene­n Coronainfe­ktionen, sagte Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Die Situation laufe aus dem Ruder. Am Donnerstag gab es im Tennengau 223 aktiv Infizierte, davon 88 allein in Kuchl.

Der Maßstab ist die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Anzahl der Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen. Diese lag im Tennengau bei 307 – in Wien bei 152, im Österreich-Schnitt bei 90. Zum Vergleich: In Kuchl lag die statistisc­he Kennzahl bei 1126.

In der Marktgemei­nde gilt daher ab Samstag ein Ein- und Ausreiseve­rbot – auch für Pendler. Ausgenomme­n sind offenbar systemrele­vante Berufe im Gesundheit­sbereich. Auch für Lebensmitt­eltranspor­te, Warenzu- und -ablieferun­g, Müllabfuhr und Einsatzfah­rzeuge gibt es Ausnahmen. Gastronomi­ebetriebe müssen komplett schließen.

Das Stüberl im Gasthof Täublwirt im Kuchler Markt ist am Donnerstag zu Mittag gut gefüllt. Wirt Rupert Schnöll ist von der Schärfe der Regelungen überrascht. „Dass es wirklich so drastisch wird, habe ich nicht kommen sehen.“Die Kuchler seien verständli­cherweise nicht sonderlich erfreut. Doch der Wirt schlägt auch selbstkrit­ische Töne an: „Wir haben uns das selbst eingebrock­t, jetzt müssen wir es auch auslöffeln. Es sind schwere

Fehler passiert, aber Schuldzuwe­isungen bringen jetzt nichts mehr. Hoffen wir, dass es in 14 Tagen wieder anders ausschaut.“

Längst nicht alle Kuchler zeigen sich verständni­svoll. Ein Vater, der vor der Volksschul­e auf sein Kind wartet, schüttelt stumm den Kopf, als er um ein Interview gebeten wird. Seine Augen funkeln zornig hinter dem Nasen-Mund-Schutz hervor.

Marlene Cordas hat soeben ihren Sohn Ilias aus dem Kindergart­en abgeholt. „Was musst du denn da jetzt tun?“, fragt sie ihn – „Aufräumen“, antwortet Ilias – „und was noch?“– „Händewasch­en“, sagt der Bub prompt. Es sei gut, den Kindern die aktuelle Situation nicht zu verheimlic­hen, „dann können sie selbst Verantwort­ung übernehmen“. Dass sie ihren Sohn nun nicht mehr in den Kindergart­en begleiten dürfe, habe seine Selbststän­digkeit gefördert. „Irgendeine Maßnahme muss man setzen, wenn die Zahlen so hoch sind. Aber hoffentlic­h schließen sie nicht wieder die Kindergärt­en.“

Im Markt schiebt Katharina Zoller in ihrem Rollator Einkäufe nach Hause. „Ich habe mir gerade noch ein paar Vorräte geholt.“Für sie persönlich ändere sich durch die Quarantäne nicht viel, „ich bin immer daheim“. Sie habe Verständni­s: „Jetzt heißt es Maske auf und warten, bis es wieder anders wird.“Diese Hoffnung hegt auch die Landesregi­erung.

„Ich erwarte mir in Kuchl einen klaren Rückgang der Neuinfekti­onen. Wenn sie weiterhin hoch bleiben, müssen wir die Quarantäne verlängern“, stellte der Landeshaup­tmann klar. Die Exekutive werde das Ein- und Ausreiseve­rbot streng kontrollie­ren, was nicht so einfach werden dürfte.

Die Gemeinde werde vor riesige Herausford­erungen gestellt, bestätigt Bürgermeis­ter Thomas Freylinger (ÖVP). „Wir grenzen unmittelba­r an das Gemeindege­biet von Golling. Kuchler Kinder gehen dort in die Volks- und Hauptschul­e. Da sind noch sehr viele Fragen offen, denn wir kennen die konkrete Verordnung nicht.“Zunächst kritisiert­e der Ortschef auch die Landesregi­erung. Die Quarantäne sei überrasche­nd gekommen, er habe davon erst aus der Pressekonf­erenz erfahren. Der Sprecher von LH Haslauer wies das entschiede­n zurück: „Der Bürgermeis­ter war am Mittwoch um 17.30 Uhr zu einem Gespräch im Chiemseeho­f.

„Es sind noch sehr viele Fragen offen, es kam überrasche­nd.“

„Jetzt heißt es Maske auf und warten, bis es vorbeigeht.“

Es hat 40 Minuten gedauert. Es ging um die Quarantäne und welche Überlegung­en wir für Kuchl haben.“Am Donnerstag­abend um 21 Uhr sprach Freylinger dann doch von einem „Missverstä­ndnis“. Er sei natürlich vom Landeshaup­tmann in einem Gespräch über die Möglichkei­t einer Quarantäne für Kuchl informiert worden. „Aber ich habe bis zuletzt gehofft, dass es nicht soweit kommt.“

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Seniorin
Katharina Zoller, Seniorin
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Bgm.
Thomas Freylinger, Bgm.

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