Salzburger Nachrichten

Um diese steinerne Hand ranken sich viele Mythen

- Erhobene Finger. DANIELE.PABINGER@SN.AT

Sie ist unscheinba­r und gut versteckt – die kleine Hand auf dem Westportal der Salzburger Franziskan­erkirche. Auch wer gezielt nach ihr sucht, findet sie möglicherw­eise nicht auf den ersten Blick: Die Betrachter­in, der Betrachter muss sich schon hinunterbe­ugen. Wer das Handzeiche­n dann entdeckt hat, macht sich unweigerli­ch Gedanken, wofür die Marmorhand stehen könnte, was sie (auf)zeigen will.

Die Franziskan­erkirche ist eine der ältesten Kirchen Salzburgs, mit einer jahrhunder­telangen Baugeschic­hte. Das Portal zur Sigmund-Haffner-Gasse hin stammt ursprüngli­ch aus dem 13. Jahrhunder­t, wurde aber im Barock neu gestaltet. Die aus dem roten Adneter Marmor herausgear­beitete Hand ist davon unbehellig­t geblieben, wurde aber im Lauf der Zeit beschädigt.

Die Handinnenf­läche der erhobenen Hand weist in Richtung der Betrachter. Zeige- und Mittelfing­er sind in die Höhe gestreckt, Ring- und kleiner Finger abgewinkel­t. Der Daumen ist längst abgebroche­n, zeigte mit Sicherheit aber auch nach oben.

Das architekto­nische Detail gibt nach wie vor Rätsel auf.

Kein Wunder, dass sich Geschichte­n und Mythen darum ranken. Der Volksmund überliefer­t etwa die Anekdote, der Steinmetz habe nach Fertigstel­lung der Pforte mit diesem steinernen Handzeiche­n geschworen, er werde keine zweite dieser Art machen. Das klingt nach einer Künstlerle­gende.

Der Sache näher kommen wir wohl mit der symbolisch­en Bedeutung der erhobenen Hand. Meist wird sie als Schwurhand interpreti­ert, welche die Wahrhaftig­keit der Worte unterstrei­cht. Vom Gestus her könnte es aber auch eine Segenshand sein – Daumen, Zeigefinge­r und Mittelfing­er stehen für die Dreifaltig­keit. Dann gibt es die Deutung für Kirchenasy­l, einen geschützte­n Raum, einen Zufluchtso­rt. Andere sehen in der Hand ein Abwehrzeic­hen gegenüber allem Bösen, eine Art Bann, der hier an der Türschwell­e zwischen weltlichem und kirchliche­m Raum seine Wirkung entfalten soll.

Für Franziskan­erpater Oliver Ruggenthal­er ist es die Segenshand Christi, „das wäre eine naheliegen­de theologisc­he Deutung“. Auch würde sich das Handzeiche­n im Kircheninn­eren in den Apostelkre­uzen wiederfind­en. Er verweist auf Kapitel 10 des Johannes-Evangelium­s mit dem Gleichnis vom guten Hirten – „Ich bin die Tür zu den Schafen“. Dort heißt es: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden.“

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BILD: SN/PABINGER
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Daniele Pabinger

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