Die Sparquote gibt Einblick in die menschliche Seele
Ob Menschen bereit sind, ihr Geld auszugeben, oder es aus Angst lieber sparen, sagt viel darüber aus, wie groß ihre Zuversicht ist.
Der Weltspartag naht, aber er hat über die Jahre doch viel von seinem Flair verloren. Ältere Menschen erinnern sich mit gewisser Wehmut daran, dass sie als Kinder mit Eltern oder Großeltern ihre Sparbüchsen zur Bank brachten, wo das Geld gezählt und auf das Sparbuch eingezahlt wurde. Allerdings umwehte den Weltspartag stets ein Hauch von Illusion. Man freute sich über die auf dem Sparbuch gutgeschriebenen Zinsen, aber niemand setzte sie in Relation zur Inflation. Aus einer Analyse der Oesterreichischen Nationalbank geht hervor, dass die Realzinsen beispielsweise in den 1970er-Jahren deutlich weiter im Minus waren, als sie in Zeiten der Niedrigzinspolitik sind.
Die Banken versuchen noch das Beste daraus zu machen, aber zaubern können sie nicht. Ein Zinseinkommen ist mit Sparen nicht zu erzielen und die Bemühungen, Menschen zum Investieren in Wertpapiere zu bewegen, tragen nur bescheidene Früchte. Die Menschen lassen sich dennoch nicht vom Sparen abhalten, wie sich auch an der Sparquote zeigt, die heuer in lichte Höhen steigt. Mehr als ein Siebtel des verfügbaren Haushaltseinkommens legen Private in diesem Jahr auf die hohe Kante. Das ist der hohen Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung geschuldet. Gespart wird also aus Vorsicht. Weniger positiv formuliert sparen viele Menschen aus Angst.
Darüber hinaus ist die gestiegene Sparquote auch damit zu erklären, dass die Politik die Menschen zum Sparen gezwungen hat. Abgesehen vom Zwangssparen, das weitgehend unbemerkt stattfindet – etwa über Beiträge zur Pensionsversicherung –, ist es ein Zeichen eines Ausnahmezustands. Beteiligte man das Volk in früheren Zeiten über Anleihen zwangsweise an der Finanzierung klassischer Kriege, waren es diesmal der Kampf gegen das Virus und der temporär verordnete Stillstand der Wirtschaft, die zum Sparen zwangen. Dabei ist es nicht so, dass man die Österreicher zum Sparen zwingen müsste. Der Spargedanke ist im kollektiven Gedächtnis verankert.
Die Sparquote ist Spiegel des Seelenzustands der Menschen. Wer Angst vor der Zukunft hat, hält sein Geld zusammen. So gesehen gibt es Anlass zur Sorge. Der Glaube, dass die Coronakrise bald hinter uns liegt, sinkt. Die Regierung sagt, es liege am Verhalten jedes Einzelnen, ob sich die Wirtschaft und die Lage auf dem Arbeitsmarkt zum Besseren wendeten. Mindestens so wichtig ist, dass es ihr mit nachvollziehbaren Maßnahmen gelingt, den Menschen das Vertrauen zu geben, dass die Krise bewältigbar ist. Man wird es auch an der Sparquote ablesen können.