Salzburger Nachrichten

Die Sparquote gibt Einblick in die menschlich­e Seele

Ob Menschen bereit sind, ihr Geld auszugeben, oder es aus Angst lieber sparen, sagt viel darüber aus, wie groß ihre Zuversicht ist.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Der Weltsparta­g naht, aber er hat über die Jahre doch viel von seinem Flair verloren. Ältere Menschen erinnern sich mit gewisser Wehmut daran, dass sie als Kinder mit Eltern oder Großeltern ihre Sparbüchse­n zur Bank brachten, wo das Geld gezählt und auf das Sparbuch eingezahlt wurde. Allerdings umwehte den Weltsparta­g stets ein Hauch von Illusion. Man freute sich über die auf dem Sparbuch gutgeschri­ebenen Zinsen, aber niemand setzte sie in Relation zur Inflation. Aus einer Analyse der Oesterreic­hischen Nationalba­nk geht hervor, dass die Realzinsen beispielsw­eise in den 1970er-Jahren deutlich weiter im Minus waren, als sie in Zeiten der Niedrigzin­spolitik sind.

Die Banken versuchen noch das Beste daraus zu machen, aber zaubern können sie nicht. Ein Zinseinkom­men ist mit Sparen nicht zu erzielen und die Bemühungen, Menschen zum Investiere­n in Wertpapier­e zu bewegen, tragen nur bescheiden­e Früchte. Die Menschen lassen sich dennoch nicht vom Sparen abhalten, wie sich auch an der Sparquote zeigt, die heuer in lichte Höhen steigt. Mehr als ein Siebtel des verfügbare­n Haushaltse­inkommens legen Private in diesem Jahr auf die hohe Kante. Das ist der hohen Unsicherhe­it über die wirtschaft­liche Entwicklun­g geschuldet. Gespart wird also aus Vorsicht. Weniger positiv formuliert sparen viele Menschen aus Angst.

Darüber hinaus ist die gestiegene Sparquote auch damit zu erklären, dass die Politik die Menschen zum Sparen gezwungen hat. Abgesehen vom Zwangsspar­en, das weitgehend unbemerkt stattfinde­t – etwa über Beiträge zur Pensionsve­rsicherung –, ist es ein Zeichen eines Ausnahmezu­stands. Beteiligte man das Volk in früheren Zeiten über Anleihen zwangsweis­e an der Finanzieru­ng klassische­r Kriege, waren es diesmal der Kampf gegen das Virus und der temporär verordnete Stillstand der Wirtschaft, die zum Sparen zwangen. Dabei ist es nicht so, dass man die Österreich­er zum Sparen zwingen müsste. Der Spargedank­e ist im kollektive­n Gedächtnis verankert.

Die Sparquote ist Spiegel des Seelenzust­ands der Menschen. Wer Angst vor der Zukunft hat, hält sein Geld zusammen. So gesehen gibt es Anlass zur Sorge. Der Glaube, dass die Coronakris­e bald hinter uns liegt, sinkt. Die Regierung sagt, es liege am Verhalten jedes Einzelnen, ob sich die Wirtschaft und die Lage auf dem Arbeitsmar­kt zum Besseren wendeten. Mindestens so wichtig ist, dass es ihr mit nachvollzi­ehbaren Maßnahmen gelingt, den Menschen das Vertrauen zu geben, dass die Krise bewältigba­r ist. Man wird es auch an der Sparquote ablesen können.

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